Throne of Glass – Die Erwählte
Arm berühren oder ihn auf die Wange küssen sollte, aber das Wort »frei« hallte wieder und wieder in ihr nach und sie musste die ganze Zeit lächeln.
Er legte den Kopf in den Nacken und sein Lächeln war ein bisschen gezwungen. »Ich glaube, Nehemia ist auf dem Weg hierher, um Euch von dem Vertrag zu erzählen. Sie wird wütend sein, weil ich ihr zuvorgekommen bin; entschuldigt Euch für mich, ja?« Als er die Tür geöffnet hatte, blieb er stehen, die Hand noch auf der Klinke. »Glückwunsch, Celaena«, sagte er leise. Ehe sie etwas erwidern konnte, zog er die Tür zu und war fort.
Celaena war allein. Sie sah aus dem Fenster und mit einer Hand auf dem Herzen flüsterte sie wieder und wieder dasselbe Wort.
Frei .
54
E in paar Stunden später starrte Chaol auf die Tür zu Celaenas Speiseraum. Er wusste eigentlich nicht, was er schon wieder hier wollte. Er war in Dorians Gemächern gewesen, hatte ihn aber nicht angetroffen. Er musste ihm unbedingt erklären, dass er einen falschen Eindruck gewonnen hatte, als er Celaena und ihn vorhin überrascht hatte. Chaol betrachtete seine Hände.
In der letzten Woche hatte der König kaum mit ihm gesprochen und Cains Name war bei keiner Gelegenheit gefallen. Nicht dass das irgendwie ungewöhnlich war. Cain war nur eine unwichtige Figur in dem Spiel gewesen, mit dem sich der König die Zeit vertrieb, und kein Mitglied der königlichen Garde.
Trotzdem war er tot. Cain würde nie wieder die Augen aufmachen, nie wieder atmen, sein Herz hatte aufgehört zu schlagen. Und alles seinetwegen.
Chaols Hand wanderte zu der Stelle, wo sein Schwert hätte stecken sollen. Er hatte es letzte Woche nach dem Zweikampf in die Ecke geworfen. Glücklicherweise hatte jemand das Blut abgewischt. Vielleicht seine Leibgardisten, die ihn in sein Zimmer gebracht und ihm einen starken Drink verabreicht hatten. Sie hatten schweigend dagesessen, bis er wieder halbwegs bei sich war, und waren dann ebenso schweigend gegangen, ohne ein Wort des Dankes abzuwarten.
Chaol fuhr sich durch das kurze Haar und öffnete die Tür zum Speiseraum.
Celaena hatte sich auf den Stuhl gelümmelt und stocherte im Essen herum. »Zwei Besuche an einem Tag?«, fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen und ließ die Gabel sinken. »Wie komme ich zu diesem Vergnügen?«
Chaols Blick verdüsterte sich. »Wo ist Dorian?«
»Warum sollte Dorian hier sein?«
»Ich dachte, er wäre um diese Zeit immer hier.«
»Nach dem heutigen Tag solltet Ihr ihn nicht mehr hier erwarten.«
Chaol trat näher und blieb neben dem Tisch stehen. »Warum?«
Celaena steckte sich ein Stück Brot in den Mund. »Weil ich Schluss gemacht habe.«
»Ihr habt was?«
»Ich bin der Champion des Königs. Ihr werdet sicher verstehen, dass eine Beziehung zu einem Prinzen wirklich unangebracht wäre.« Ihre blauen Augen funkelten. Er wunderte sich über die kaum merkliche Betonung, die sie auf Prinzen legte, und warum sein Herz einen kleinen Hüpfer machte.
Chaol versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. »Ich habe mich schon gefragt, wann Ihr endlich zur Vernunft kommt.« Quälte sie sich auch so wie er? Dachte sie ständig daran, dass an ihren Händen Blut klebte? Aber trotz ihres vorlauten Mundwerks, ihrer Schadenfreude und des albernen Herumstolzierens …
Trotz alledem hatte ihr Gesicht noch etwas Weiches. Das machte ihm Hoffnung – Hoffnung, dass er beim Akt des Tötens nicht seine Seele verloren hatte, Hoffnung, dass er immer noch Menschlichkeit finden und seine Ehre zurückgewinnen konnte … Sie war in Endovier gewesen und konnte trotzdem noch lachen.
Celaena wickelte sich eine Haarsträhne um den Finger. Sie trugnach wie vor dieses absurd kurze Nachthemd, das über ihre Oberschenkel hochrutschte, als sie die Füße am Tischrand abstützte. Er konzentrierte sich auf ihr Gesicht.
»Würdet Ihr mir Gesellschaft leisten?«, fragte sie und deutete auf den Tisch. »Es ist ein Jammer, dass ich allein feiern muss.«
Er sah sie an, betrachtete das schiefe Grinsen in ihrem Gesicht. Was auch immer mit Cain geschehen war, was auch immer beim Zweikampf passiert war, es würde ihn noch lange verfolgen. Aber in diesem Augenblick …
Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Sie füllte einen Becher mit Wein und reichte ihn Chaol. »Auf vier Jahre bis zur Freiheit«, sagte sie und hob ihr Glas.
Er stieß mit ihr an. »Auf Euch, Celaena.«
Ihre Blicke trafen sich, und als sie ihn angrinste, erlaubte Chaol sich ein Lächeln. Vier Jahre mit ihr
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