Throne of Glass – Die Erwählte
und es selbst tun.
Celaena sah Arobynn an; warum hatte er Sam nicht zurechtgewiesen? Arobynns Gesicht, immer noch schön trotz der ersten grauen Haare, blieb ungerührt. Sie hasste diese undurchdringliche Maske, besonders wenn es ihr nicht so leichtfiel, ihren eigenen Gesichtsausdruck – und ihre Gefühle – im Griff zu behalten.
»Wenn Gregori geschnappt worden ist«, sagte Celaena gedehnt und warf eine Strähne ihres langen goldenen Haares über die Schulter, »sind die nächsten Schritte ganz einfach: einen Lehrling schicken, der ihm etwas ins Essen tut. Nichts Qualvolles«, schob sie nach, als die Männer um sie herum nervös wurden. »Gerade genug, um ihn zum Schweigen zu bringen, bevor er redet.«
Das war Gregori sehr wohl zuzutrauen, wenn er in den königlichen Verliesen saß. Die meisten Verbrecher, die dort landeten, kamen nie wieder heraus. Zumindest nicht lebend. Und nicht in wiedererkennbarem Zustand.
Wo sich der Unterschlupf der Assassinen genau befand, war ein gut gehütetes Geheimnis und man hatte ihr beigebracht, es bis zum letzten Atemzug zu wahren. Aber selbst wenn sie es ausplauderte – wahrscheinlich würde niemand glauben, dass einige der größten Assassinen der Welt in einer eleganten Villa in einem sehr respektablen Viertel in Rifthold zu Hause waren. Gab es ein besseres Versteck als mitten in der Hauptstadt?
»Und wenn er schon geredet hat?«, fragte Sam herausfordernd.
»Und wenn Gregori schon geredet hat«, antwortete Celaena, »dann bringt alle um, die zugehört haben.« Sams braune Augen blitzten, als sie ihm das kleine Lächeln zuwarf, von dem sie wusste, dass es ihn zur Weißglut brachte. Sie wandte sich an Arobynn.»Aber du hast uns nicht geholt, um das zu entscheiden. Du hast den Befehl längst gegeben, richtig?«
Arobynn nickte, die Lippen fest zusammengepresst. Sam schluckte seinen Einwand hinunter und blickte vom Tisch weg ins prasselnde Feuer. Dessen Schein goss die weichen, eleganten Züge seines Gesichts in Licht und Schatten – ein Gesicht, das ihm wohl ein Vermögen hätte einbringen können, wenn er in die Fußstapfen seiner Mutter getreten wäre. Aber Sams Mutter hatte ihn nicht bei den Kurtisanen, sondern bei den Assassinen untergebracht, bevor sie gestorben war.
Schweigen trat ein und ein lautes Geräusch war zu hören, als Arobynn Luft holte. Etwas stimmte da nicht.
»Was ist noch?«, fragte Celaena, nach vorn gebeugt. Die anderen Assassinen starrten auf den Tisch. Was auch immer passiert war, sie wussten Bescheid. Warum hatte Arobynn es ihr nicht als Erster gesagt?
Arobynns silbergraue Augen bekamen etwas Stählernes. »Ben ist tot.«
Celaena krallte sich in die Armlehnen. »Was?«, fragte sie. Ben – Ben , der immer ein Lächeln auf den Lippen gehabt und mindestens so oft wie Arobynn mit ihr trainiert hatte. Ben, der damals ihre zerquetschte rechte Hand versorgt hatte. Ben, das siebte und letzte Mitglied von Arobynns innerem Zirkel. Er war noch keine dreißig. Celaenas Lippen öffneten sich. »Was soll das heißen, ›tot‹?«
Als Arobynn ihr in die Augen sah, huschte ein Anflug von Schmerz über sein Gesicht. Er war fünf Jahre älter als Ben, war mit ihm aufgewachsen. Sie hatten ihre Ausbildung zusammen absolviert; Ben hatte dafür gesorgt, dass sein Freund der unangefochtene König der Assassinen wurde, und seinen Platz als Arobynns zweiter Mann nie infrage gestellt. Celaenas Hals schnürte sich zu.
»Es war eigentlich Gregoris Auftrag«, erklärte Arobynn ruhig.»Ich weiß nicht, warum Ben da hineingezogen wurde. Oder wer sie reingelegt hat. Seine Leiche lag beim Schlosstor.«
»Habt ihr sie geholt?«, fragte Celaena. Sie musste sie sehen – musste Ben ein letztes Mal anschauen, sehen, wie er gestorben war, wie viele Wunden es gebraucht hatte, um ihn zu töten.
»Nein«, erwiderte Arobynn.
»Wieso denn nicht?« Celaena ballte die Hände zu Fäusten und löste sie wieder.
»Weil es dort von Wachen und Soldaten gewimmelt hat!«, brach es aus Sam heraus. Celaenas Kopf wirbelte herum. »Was meinst du denn, wie wir überhaupt davon erfahren haben?«
Arobynn hatte Sam geschickt, um nachzusehen, wo Ben und Gregori blieben?
»Wenn wir seine Leiche mitgenommen hätten«, sprach Sam weiter, ohne sich durch Celaenas Blick verunsichern zu lassen, »hätten wir sie direkt hierhergeführt.«
»Ihr seid Assassinen«, fauchte Celaena ihn an. »Ihr solltet eine Leiche bergen können, ohne gesehen zu werden.«
»Wenn du dabei gewesen wärst, hättest
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