Throne of Glass – Die Erwählte
du genauso gehandelt.«
Celaena fuhr so ruckartig hoch, dass ihr Stuhl nach hinten kippte. »Wenn ich dabei gewesen wäre, hätte ich sie alle umgebracht , um an Bens Leiche zu kommen!« Sie schlug mit den Handflächen auf den Tisch, dass die Gläser klirrten.
Sam sprang auf, die Hand am Schwertgriff. »Hört euch das an! Du kommandierst uns rum, als würdest du die Gilde anführen. Aber so weit ist es noch nicht, Celaena.« Er schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«
»Schluss jetzt«, bestimmte Arobynn und stand auf.
Celaena und Sam rührten sich nicht. Keiner der anderen Assassinen sagte ein Wort, aber alle griffen nach ihren Waffen. Celaena hatte am eigenen Leib erfahren, wie Kämpfe im Unterschlupf abliefen;Waffen dienten ebenso sehr zur Selbstverteidigung wie dazu, Streithähne vor ernsthaftem Schaden zu schützen.
» Schluss jetzt, habe ich gesagt.«
Wenn Sam auch nur einen Schritt auf sie zumachte, sein Schwert einen Millimeter hob, würde das unter ihrem Morgenmantel verborgene Messer ein neues Zuhause in seinem Hals finden.
Arobynn bewegte sich als Erster, packte Sam mit einer Hand am Kinn und zwang den jungen Mann, ihn anzusehen. »Reiß dich zusammen, Junge, sonst übernehme ich das für dich«, sagte er. »Es wäre idiotisch, heute Nacht Streit mit ihr anzufangen.«
Celaena schluckte ihren Kommentar hinunter. Sie würde heute Nacht mit Sam fertigwerden – und in jeder anderen Nacht. Wenn es zu einem Kampf kam, würde sie gewinnen – sie besiegte Sam immer.
Doch Sam löste die Hand vom Schwertgriff. Sogleich ließ Arobynn Sams Kinn los, blieb aber vor ihm stehen, bis Sam mit gesenktem Blick ans andere Ende des Versammlungsraums stapfte und sich mit verschränkten Armen an die Steinwand lehnte. Er war immer noch in Reichweite – eine Bewegung ihres Handgelenks und aus seiner Kehle würde Blut schießen.
»Celaena«, sagte Arobynn. Seine Stimme hallte in dem stillen Raum wider.
Heute Nacht war schon genug Blut geflossen; sie brauchten nicht noch einen toten Assassinen.
Ben. Ben war tot, für immer fortgegangen, sie würde ihm nie wieder in den Fluren der Villa begegnen. Nie wieder würde er mit seinen kühlen, geschickten Händen ihre Verletzungen behandeln, sie nie mehr mit einem blöden Witz oder einer anzüglichen Bemerkung zum Lachen bringen.
»Celaena«, sagte Arobynn noch einmal warnend.
»Mir reicht’s.« Sie legte den Kopf in den Nacken, fuhr sich mit derHand durch die goldenen Haare und ging zur Tür, drehte sich auf der Schwelle aber noch einmal um.
»Nur damit ihr Bescheid wisst«, sagte sie zu allen, den Blick aber immer noch auf Sam gerichtet, »ich gehe jetzt Bens Leiche holen.« Sams Kiefermuskeln mahlten, doch er war klug genug, sie nicht anzusehen. »Aber erwartet nicht, dass ich zu euch genauso zuvorkommend bin, wenn eure Zeit gekommen ist.«
Mit diesen Worten wandte sie sich ab und stieg die Wendeltreppe in die Villa über ihnen hinauf. Als sie eine Viertelstunde später durchs Eingangstor in die stillen Straßen der Stadt hinausschlüpfte, hielt niemand sie auf.
2
Z wei Monate, drei Tage und ungefähr acht Stunden später schlug die Uhr auf dem Kaminsims Mittag. Captain Rolfe, der Piratenlord, war unpünktlich. Celaena und Sam ebenfalls, aber Rolfe hatte keinen triftigen Grund, schließlich trafen sie sich in seinem Hauptquartier und waren sowieso schon zwei Stunden später dran als geplant.
Und sie konnte nichts für die Verspätung. Der Wind wehte nicht auf Kommando und die angstschlotternden Seeleute hatten sich nicht gerade beeilt, zum Archipel der Dead Islands zu segeln. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken, wie viel Gold Arobynn hatte lockermachen müssen, damit sich überhaupt eine Crew ins Herz des Piratenterrains wagte. Aber Skull’s Bay lag nun mal auf einer Insel, es hatte also keine echte Alternative gegeben.
Celaena, getarnt mit einem viel zu warmen schwarzen Umhang mit Kapuze und einer ebenholzschwarzen Maske, erhob sich von ihrem Stuhl vor dem Schreibtisch des Piratenlords. Wie konnte er es nur wagen, sie warten zu lassen! Schließlich wusste er genau, warum sie hier waren.
Drei Assassinen waren von Piratenhand ermordet worden und Arobynn hatte sie als seinen persönlichen Dolch geschickt – um eine Entschädigung lockerzumachen, vorzugsweise in Gold, für das, was ihr Tod die Gilde der Assassinen kostete.
»Für jede Minute, die er uns warten lässt«, sagte Celaena zu Sam, »schlage ich ihm auf seine Schulden zehn Goldstücke extra
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