Throne of Glass – Die Erwählte
verfehlt. Diesmal.
Die Schwarzhaarige fluchte so unfein, dass Celaena sich den Mund zuhielt, um nicht laut loszulachen. Die Hofdamen glucksten,während sie Schmutz von den Röcken und den Wildlederschuhen ihrer Herrin entfernten. »Seid still!«, zischte diese. Die Wachen waren so klug, sich ihre Erheiterung nicht anmerken zu lassen. »Seid still und lasst uns gehen!«
Die drei Frauen eilten davon, während das »Flittchen« ihre Gemächer betrat und nach den Dienerinnen rief, damit sie ihr das schönste Kleid anzogen, das sie finden konnten.
9
C elaena stand vor dem Spiegel aus Rosenholz und lächelte.
Sie strich mit der Hand über ihr Kleid. Über ein Meer aus grüner Seide fielen vom großzügigen Dekolleté weiße Spitzen über ihre Brust wie schaumgekrönte Wellen. Um ihre Taille wand sich eine nach unten spitz zulaufende rote Schärpe, die das Mieder von den ausladenden Röcken absetzte. Das Kleid war überall mit hellgrünen Perlen in Ranken- und Kreismustern besetzt und um den Brustkorb herum mit elfenbeinfarbener Stickerei gesmokt. Celaena hatte ihr kleines improvisiertes Haarnadelmesser unter dem Mieder versteckt, obwohl es ihr dort mitleidlos in die Rippen stach. Sie hob die Hände, um ihr gelocktes, hochgestecktes Haar zu berühren.
Sie wusste nicht genau, was sie jetzt, wo sie angezogen war, eigentlich vorhatte, vor allem, da sie sich wahrscheinlich umziehen musste, bevor der Wettkampf begann, aber …
Röcke raschelten am Eingang und Celaena sah im Spiegel Philippa hereinkommen. Die Assassinin versuchte, nicht zu stolz auszusehen, was ihr kläglich misslang. »Es ist wirklich jammerschade, dass Ihr nicht jemand anders seid.« Philippa fasste Celaena an den Schultern und drehte sie zu sich. »Es würde mich nicht wundern, wenn Ihr einen Lord umgarnen und heiraten würdet. Wenn Ihr charmant genug seid, kriegt Ihr vielleicht sogar Seine Hoheit.« Sie zupfte diegrünen Falten von Celaenas Kleid zurecht und kniete sich hin, um die rubinroten Schuhe der Assassinin zu bürsten.
»Anscheinend gibt es schon Gerüchte. Ich habe zufällig ein Mädchen sagen hören, der Kronprinz hätte mich zu seinem persönlichen Vergnügen hergebracht. Ich dachte, der gesamte Hof wüsste über den dämlichen Wettkampf Bescheid.«
Philippa stand auf. »Ganz gleich, welche Gerüchte die Runde machen, in einer Woche sind sie wieder vergessen, wartet nur ab. Sobald er eine andere Frau findet, die ihm gefällt, werdet Ihr aus dem Hofgetuschel verschwinden.« Celaena richtete sich auf, als Philippa eine widerspenstige Locke befestigte. »Das ist nicht böse gemeint, Schätzchen. Schöne Damen werden immer mit dem Kronprinz in Verbindung gebracht. Ihr solltet Euch geschmeichelt fühlen, dass Ihr attraktiv genug seid, um für seine Geliebte gehalten zu werden.«
»Mir wäre es lieber, nicht auf diese Weise gesehen zu werden.«
»Aber doch besser denn als Assassinin, möchte ich wetten.«
Celaena sah Philippa an und musste lachen.
Die Zofe schüttelte den Kopf. »Euer Gesicht ist so viel hübscher, wenn Ihr lacht. Fast mädchenhaft. Viel besser als dieses ständige Stirnrunzeln.«
»Ja«, gab Celaena zu. »Ihr könntet recht haben.« Sie machte Anstalten, auf der malvenfarbenen Ottomane Platz zu nehmen.
»Halt!«, sagte Philippa und Celaena blieb erschrocken stehen. »Ihr wollt doch nicht den Stoff zerknittern.«
»Aber in diesen Schuhen tun mir die Füße weh.« Sie setzte eine Leidensmiene auf. »Ich kann unmöglich den ganzen Tag stehen. Sogar während der Mahlzeiten?«
»Nur bis jemand mir sagt, wie wundervoll Ihr ausseht.«
»Niemand weiß, dass Ihr meine Zofe seid.«
»Oh, aber man weiß, dass ich der Geliebten zugeteilt wurde, die der Prinz nach Rifthold mitgebracht hat.«
Celaena biss sich auf die Lippe. Ob es wirklich klug war, dass niemand wusste, wer sie war? Was würden ihre Gegner denken? Vielleicht wären eine Tunika und Hosen besser gewesen.
Celaena schob eine Locke zur Seite, die sie an der Wange kitzelte, und Philippa gab ihr einen Klaps auf die Hand. »Ihr ruiniert noch Eure Frisur.«
Plötzlich flog die Tür zu ihren Gemächern auf, gefolgt von bereits vertrauten lauten Schritten und einem Grummeln. Celaena sah im Spiegel, wie Chaol außer Atem in der Tür erschien. Philippa knickste.
»Ihr …«, begann er und brach ab, als Celaena sich zu ihm umdrehte. Mit gesenkten Brauen ließ er die Augen über ihren Körper wandern. Er legte den Kopf schief und öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen,
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