Throne of Glass – Die Erwählte
noch am Schwert. Zumindest einer von ihnen war sich bewusst, dass sie in der Bibliothek allein waren. »Ich fürchte, lesen ist ein bisschen aus der Mode gekommen.«
»Nun, umso mehr Bücher für mich.«
»Zum Lesen? Die Bücher gehören dem König.«
»Das hier ist eine Bibliothek, oder?«
»Aber der Besitzer ist der König und Ihr seid nicht von adliger Abstammung. Ihr braucht eine Erlaubnis von ihm oder dem Prinzen.«
»Ich bezweifle sehr, dass einer von ihnen bemerken würde, wenn ein paar Bücher fehlten.«
Chaol seufzte. »Es ist spät. Ich habe Hunger.«
»Und?«, fragte sie. Er knurrte und schleifte sie regelrecht aus der Bibliothek.
Nach einem einsamen Abendessen, bei dem Celaena über die geplanten Fluchtwege nachsann und darüber, wie sie noch mehr Waffen für sich herstellen konnte, schritt Celaena unruhig durch ihre Gemächer. Wo waren die anderen Teilnehmer des Wettkampfs untergebracht? Hatten sie Zugang zu Büchern, wenn sie wollten?
Celaena ließ sich auf einen Stuhl fallen. Sie war müde, doch die Sonne war gerade erst untergegangen. Anstatt zu lesen, konnte sie sich vielleicht ein bisschen ans Pianoforte setzen, aber … Na ja, sie hatte schon ewig nicht mehr gespielt und war sich nicht sicher, ob sie den Klang ihres holprigen, unbeholfenen Spiels ertragen könnte. Sie strich mit dem Finger über einen zartlila Tupfen auf ihrem seidenen Kleid. So viele Bücher und keiner las sie.
Da hatte sie eine Idee und sprang auf, nur um sich gleich wieder ans Schreibpult zu setzen. Wenn Captain Westfall auf der Einhaltung des Protokolls bestand, konnte er das haben. Sie tauchte die Glasfeder ins Tintenfass und hielt sie über das Papier.
Wie seltsam es sich anfühlte, eine Feder zu halten! Sie malte die Buchstaben in die Luft. Sie konnte unmöglich das Schreiben verlernt haben. Als die Feder das Papier berührte, bewegten sich ihre Finger ungeschickt, doch sorgfältig schrieb sie ihren Namen, dann drei Mal hintereinander das Alphabet. Die Buchstaben waren unregelmäßig, aber leserlich. Sie nahm ein neues Blatt und begann zu schreiben.
Eure Hoheit
Man hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass Eure Bibliothek nicht öffentlich zugänglich ist, sondern vielmehr eine persönliche Sammlung, in deren Genuss nur Ihr und Euergeschätzter Vater kommen. Da viele Eurer Million Bücher zwar vorhanden sind, aber nicht ausreichend genutzt werden, muss ich Euch um die Erlaubnis bitten, mir einige zu leihen, damit sie die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Da ich aller Gesellschaft und Zerstreuung beraubt bin, ist dieser Akt der Großzügigkeit das Mindeste, das jemand Eures Ranges einem armen, einfachen Geschöpf wie mir gewähren kann.
Eure aufrichtige Dienerin
Celaena Sardothien
Celaena warf einen zufriedenen Blick auf ihren Brief und drückte ihn dem hübschesten Dienstmädchen in die Hand, das sie finden konnte, mit der genauen Anweisung, ihn sogleich dem Kronprinzen zu überbringen. Als das Mädchen eine halbe Stunde später mit einem Stapel Bücher im Arm zurückkam, schnappte Celaena sich lachend den Zettel, der auf dem obersten Band lag.
Meine überaus aufrichtige Assassinin,
beigefügt sind sieben Bücher aus meiner persönlichen Bibliothek, die ich in letzter Zeit gelesen habe und die mir ungemeines Vergnügen bereitet haben. Es steht Euch natürlich frei, so viele Bücher aus der Schlossbibliothek zu entleihen, wie Ihr wünscht, aber ich befehle Euch, diese hier zuerst zu lesen, damit wir darüber debattieren können. Ich verspreche, dass sie nicht langweilig sind, denn ich kämpfe mich nicht gern durch seitenlangen Blödsinn und aufgeblasenes Geschwätz, obwohl Ihr vielleicht solche Werke und Autoren mögt, die sehr viel von sich halten.
Mit zugeneigten Grüßen
Dorian Havilliard
Celaena lachte wieder, nahm dem Mädchen die Bücher aus dem Arm und dankte ihr für ihre Mühe. Sie ging ins Schlafzimmer, schloss die Tür mit einem Fußtritt und ließ sich aufs Bett fallen, wobei sie die Bücher auf der purpurroten Tagesdecke verteilte. Sie kannte keinen der Titel, nur einer der Autoren sagte ihr etwas. Sie griff nach dem Buch, das ihr am interessantesten erschien, legte sich auf den Rücken und begann zu lesen.
~
Am nächsten Morgen wurde Celaena vom elenden Dröhnen der Turmuhr aufgeweckt. Im Halbschlaf zählte sie die Glockenschläge. Mittag. Sie setzte sich auf. Wo war Chaol? Und noch wichtiger, was war mit dem Wettkampf? Hätte er nicht heute anfangen sollen?
Sie sprang aus dem
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