Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte
Hartholz der Türfüllung. Ich streckte die Hand aus, um den Schließknopf zu drücken, aber mein unsichtbarer Retter hielt mein Handgelenk fest.
»Wir laufen
niemals
vor Grammasiten davon!«
Es war eine strenge Stimme, die ich nur allzu gut kannte: Miss Havisham. Wie immer trug sie ihr zerlumptes Hochzeitskleid und starrte mich empört an. Ich glaube, ich war eine der schlimmsten Auszubildenden, die sie je hatte. Jedenfalls tat sie immer so, wenn sie mit mir zu tun hatte.
»Wir haben nichts zu fürchten außer der Furcht selbst«, tönte sie, riss ihren Derringer aus der Tasche und erledigte zwei Grammasiten, die auf die offene Aufzugstür zustürmten. »Wie es scheint, verbringe ich den größten Teil meiner Zeit damit, dich irgendwo aus der Patsche zu holen, Mädel!«
Die Grammasiten gingen jetzt langsamer gegen uns vor. Ihre Zahl betrug jetzt mindestens dreihundert, und wie es schien, wurden es ständig mehr. Wir standen einer erdrückenden Übermacht gegenüber.
»Tut mir leid«, sagte ich und machte vorsichtshalber einen Knicks, als ich einen weiteren Schuss abfeuerte. »Aber sollten wir nicht doch lieber abhauen?«
»Ich fürchte nur das Questing Beast, Big Martin und ... Haferschleim.«
Sie erschoss einen weiteren Grammasiten mit einer absolut scheußlichen Weste. »Wenn du deine Hausaufgaben gemacht hättest, wüsstest du vielleicht, dass es sich hier um Verbisoide handelt, die vermutlich unproblematischsten Grammasiten überhaupt, die können wir ökologisch bekämpfen.«
Und damit begann sie, ohne Atem zu holen, William Blakes
Jerusalem
zu singen - das heißt eigentlich, zu krächzen. Sie sang schrecklich falsch, und die Grammasiten blieben abrupt stehen und sahen sich an. Als ich mich auf der Höhe des
Holy Lamb of God
an dem Gesang beteiligte, wichen unsere Widersacher bereits erschrocken zurück. Wir sangen noch lauter, und als Miss Havisham und ich zu den
dark Satanic Mills
kamen, traten sie eine heillose Flucht an, und als wir schließlich den
Chariot of Fire
erreichten, waren sie gänzlich verschwunden.
»Schnell!« sagte Miss Havisham. »Schnapp dir die Westen! Dafür gibt es eine Belohnung.«
Wir zogen den gefallenen Grammasiten die Westen aus - eine unangenehme Arbeit, denn sie rochen so stark nach Tinte, dass ich würgen musste.
»Hier«, sagte Miss Havisham, als wir fertig waren, »das solltest du auch wieder an dich nehmen. Du wirst es brauchen für dein Examen.« Damit überreichte sie mir mein Jurisfiktion- Buch, das Goliath mir weggenommen hatte. Es war ein unentbehrlicher Führer in der Buch-Welt, denn es enthielt nicht nur Tipps und Tricks, sondern auch einige wichtige Werkzeuge.
»Wo haben Sie denn das her?«
Miss Havisham gab keine Antwort. Sie war die schlimmste Mischung aus strengen Eltern, unerbittlichen Lehrern und südamerikanischen Diktatoren, die man sich vorstellen konnte.
Ich hatte immer das Gefühl, gerade neun Jahre alt geworden zu sein, wenn sie mit mir sprach - was aber nicht bedeutete, dass ich sie nicht respektierte und liebte.
»Warum tragen Grammasiten Ringelsocken?« fragte ich, als ich die Westen mit einem Strick zusammenschnürte, den mir Miss Havisham gegeben hatte.
»Weil die mit Blümchen aus der Mode sind, nehme ich an«, sagte sie achselzuckend und lud ihren Derringer neu. »Was ist in dem Sack da?«
»Ach, nur ein paar Einkäufe von Snell«, sagte ich und versuchte, das Thema zu wechseln. »Warum hat
Jerusalem
sie in die Flucht geschlagen?«
»Es war nicht
Jerusalem
«, sagte Miss Havisham. »Es war das Singen. Wie ich schon sagte, waren das Verbisoide, und Verbisoide hassen und fürchten - ähnlich wie manche Schüler - die unregelmäßigen Verben. Die regelmäßigen Verben fressen sie gerne. Aber die unregelmäßigen verwirren ihre kleinen Gehirne und schlagen sie in die Flucht.«
»Aha«, sagte ich.
»Du hast überhaupt nichts verstanden«, sagte sie tadelnd. »Ich rede vom Singen!
Singen, sang, gesungen -
verstehst du? Das haut sie um.«
»Heißt das,
jedes
unregelmäßige Verb schlägt sie in die Flucht?« fragte ich voller Interesse.
»Ja, so ziemlich«, erwiderte sie. »Aber manche Verben sind leichter zu demonstrieren als andere. Man könnte sicher auch
schneiden
oder einfach nur
sein
. Aber dann ist nicht sicher, ob sie das richtig verstehen. So eine Scharade ist ein bisschen riskant. Da ist es schon besser, zu
singen
, dann ist die Sache erledigt.«
»Wie wäre es denn mit
gehen
gewesen?« fragte ich unschuldig. »Etwas
Weitere Kostenlose Bücher