Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
asketischen Bedingungen dort, die Hitze und Einsamkeit, seien eine Wohltat für Körper und Seele.
Früher hatte Gundhalinu diesen Ort nie besonders gemocht. Zu seiner Überraschung befand sich jedoch ein Sensorband davon in der Kollektion von rekreierenden Filmen. Und dann stellte er nach all den Jahren fest, daß sein Vater mit der Wahl des Urlaubsortes recht gehabt hatte. Selbst die Illusion, bis zur Brust in sprudelndem, mineralisch gefärbtem Wasser zu sitzen, hatte ihn erfrischt und seine Spannkraft erneuert, wie wenn er tatsächlich dort gewesen wäre. Genüßlich sog er den schwachen Duft nach Kupfer und Schwefel ein, labte sich an dem Bild der bizarren, verwitterten roten Sandsteinformationen ringsum. Das Gestein wies ein wellenförmiges Muster auf, und ihm war, als befände er sich mitten in einer Muschel, die im Widerschein der Sonne glühte.
Er riß sich aus dem tückischen Tagtraum, den Nachhall des Kopfset-Programms – eine gestohlene Erinnerung, eine Vision, die man ihm mittels eines Prozesses, den er immer noch nicht verstand, bei seiner Initiation in die Survey-Loge eingepflanzt hatte. Hatte er damals tatsächlich seine eigene Welt gesehen, durch die Augen eines anderen Mannes, in einer Zeit vor der Kolonisierung? – Hatte er vielleicht durch die Augen eines seiner Ahnen geschaut? War das Band mit diesen Bildern zufällig in die Auswahl gelangt oder versuchte jemand, ihm Denkanstöße zu geben, sein Gedächtnis zu stimulieren, ihm zu einer Erkenntnis zu verhelfen? Es
gibt Zufälle, verdammt noch mal!
Ärgerlich über sich selbst, schüttelte er den Kopf; erst dann merkte er, daß Vhanu unentwegt weitergesprochen hatte, ohne daß er ihm zuhörte. »Wie bitte?« fragte er.
»Das Band muß wirklich gut sein«, sagte Vhanu und nahm ihm den Kopfset aus der Hand. »Sie wollten es gar nicht loslassen.«
»Kharemough«, murmelte Gundhalinu und erwiderte das Lächeln.
»Die einzig sehenswerte Welt«, meinte Akroyalin.
»Karbunkel ist auch nicht beengter als unsere Orbitalstädte daheim«, entgegnete Gundhalinu. »Auf Tiamat gibt es viel zu sehen und zu unternehmen – und es wird mit jedem Tag mehr. Wenn man aus der Stadt heraus will, kann man immer noch die Küste entlangfahren.«
»Ich habe mal eine Tagestour unternommen. Hinter Karbunkel gibt es nichts als Nebel, Fische und Aberglauben. Auf diesem Planeten scheint die Zeit stehengeblieben zu sein.« Vhanu schüttelte den Kopf. »Und da viele Wasser ... Ich fand es erdrückend.«
»Ach, kommen Sie«, hänselte ihn Kitaro. »Wo bleib Ihr Sinn für Abenteuer?«
»Die Worte ›Sinn‹ und ›Abenteuer‹ gehören nicht zusammen, wenn Sie mich fragen«, erklärte Akroyali und streifte sie mit einem gleichgültigen Blick. In de Survey-Halle galt die Regel, daß weltlicher Rang und Status an der Tür abgelegt wurden; Gundhalinu fiel auf, daß sich einige Mitglieder mit diesem Gleichheitsgrundsatz schwerer taten als andere. Kitaro preßte die Lippen zusammen, erwiderte jedoch nichts. Akroyalin stemmte sich von seinem Platz hoch und ging quer durchs Zimmer.
»Na ja, diese Bänder ergänzen wenigstens unseren, ziemlich schmalen Vorrat an Rekreations-Mitteln«, meinte Vhanu und hielt den Kopfset hoch. »Obwohl jetzt; wo wir ein Schiff besteigen und in annehmbarer Zeit heimreisen können, alles halb so schlimm ist.«
»Es wird noch viele Jahre dauern, bis ein Urlaub daheim oder auf einer anderen Welt genauso unproblematisch sein wird wie der Gebrauch eines Kopfsets«, bemerkte Kitaro trocken. »Besonders für arme, unterbezahlte Kulis wie mich. Begnügen Sie sich mit Vergnügungen aus zweiter Hand, bevor jemand Ihnen zuvorkommt.«
Vhanu sah sie an und hob die Augenbrauen. Doch dann setzte er achselzuckend den Kopfset auf. Gundhalinu sah, wie er erstarrte und dann unwillkürlich seufzte, während die Bilder von ihm Besitz ergriffen.
Zufrieden lächelnd beugte sich Kitaro über den niedrigen Tisch, der sie von Gundhalinu trennte. »Ich habe was für Sie«, murmelte sie, und ihr Lächeln erlosch. Sie überzeugte sich, daß sie auch nicht beobachtet wurden, und steckte ihm einen Datenknopf zu. Klein und unscheinbar wie eine Nuß, lag er in seiner Hand. Er trug weder das Siegel der Regierung noch andere Markierungen. Gespannt blickte er Kitaro an.
Sie nickte. »Die Informationen, die Sie haben wollten. Aber Sie müssen sich alles gleich beim ersten Mal merken, die Daten werden unmittelbar nach dem Lesen gelöscht.«
Er blickte auf das Ding in seiner Hand,
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