Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
mit Frauen schlafe, die mir sympathisch sind.«
»Ich könnte deine Mutter sein ... fast.«
»Du siehst aber gar nicht wie meine Mutter aus.« »Und was ist mit deiner Frau?«
»Ich habe keine; war nie verheiratet.«
»Warum nicht?«
»Bin zuviel unterwegs. Und du?«
»Ich bin zuviel am selben Ort.« Langsam wurde sie ungeduldig. »Vorhin habe ich ›Kleiner‹ zu dir gesagt.«
»Ich bin schlimmere Beschimpfungen gewöhnt. Und da, wo ich herkomme, gilt das als Kompliment.«
»Sieh doch«, murmelte sie und fühlte sich gegen ihren Willen geschmeichelt, »du bist wirklich zu klein für mich.«
Er lehnte sich auf dem Barhocker zurück. »Du meinst wohl, du bist für mich zu alt.«
Sie wurde rot. »Nicht da, wo's drauf ankommt.« »Und wo's bei mir drauf ankommt, bin ich auch nicht zu kurz geraten.«
Unwillkürlich mußte sie grinsen, und damit gab sie sich geschlagen. »Na schön«, sagte sie. »Wieso eigentlich nicht, zur Hölle noch mal? Um drei schließt der Club. Wenn du dann noch hier bist, sehen wir weiter ...«
Allein betrat Tammis Dawntreader Tor Starhikers Club; schlaflos und ziellos wie die übrigen Gäste. Im Vorbeigehen betrachtete er die Gesichter, während er sich tiefer in das Labyrinth aus illusorischen Vergnügungen und flüchtigen Phantasien vorarbeitete, wo Verführung und Zerstörung ein prekäres Gleichgewicht bildeten. Er forschte, ob er einen der Gäste kannte, bereit, in die Anonymität abzutauchen, ehe jemand seinen Namen rief.
Zu seiner Erleichterung erspähte er weder seine Schwester noch ihre Winter-Clique. Im allgemeinen begannen sie ihren Zug durch die Gemeinde in Starhikers Club; wahrscheinlich waren sie bereits weitergegangen. Er mied die Bar, wo Tor die Stellung hielt; heute abend hatte er keine Lust, sich mit ihr zu unterhalten, obschon er wußte, daß sie ihm nie anders als freundlich begegnen würde. Doch Freundlichkeit hatte er weder verdient, noch konnte er jetzt ein gutes Wort vertragen.
Nach Glücksspiel war ihm auch nicht zumute; die Beschäftigung erinnerte ihn zu sehr an sein nutzloses unausgefülltes Leben. Wie eine verlorene Seele irrte e durch die Menge, sah fremden Leuten beim Spielen zu ließ sich durch das flackernde Licht- und Schattenspiele die Sinne verwirren. Laute Musik und von Parfüms und Drogen geschwängerte Luft betäubten ihn, bis er für eine Weile seine persönlichen Kümmernisse vergesse konnte.
Zum Schluß fand er sich im hinteren Teil des Club wieder, wo sich weniger Leute aufhielten. Hier entdeckte er in einer Nische jemand, der genauso allein war w er. Diesen Außenweltler mit dem nachtschwarzen Ge sieht, der schlanken, grazilen Figur, dem Haar, da glänzte wie Gagat, und indigoblauen Augen hatte er bereits früher schon gesehen. Er käme von Ondinee, hatte man ihm gesagt, war nicht viel älter als er selbst und gehörte einem ziemlich auffallenden Trio an. Einer seiner Kumpane war der kleinste Mann, den er je gesehen hatte, der andere war tätowiert und besaß beim Glücksspiel eine beinahe unheimliche Geschicklichkeit; seine Schwester war gerade dabei, diesen jungen Außenweltler ihrer Trophäensammlung einzuverleiben.
Der Ondineaner saß zurückgelehnt in der Ecke und hatte einen Fuß auf die Sitzbank gestellt; anstelle eines Schuhs trug er einen Lederfußling mit abgeschnittenen Zehen. Er machte eine gelangweilte Miene und jonglierte mit einer Hand Beeren. Gelegentlich ließ er eine fallen – absichtlich –, und eine katzengroße Kreatur schoß vor, um sie zu fressen.
Neugier und ein anderes, stärkeres Gefühl trieben Tammis zu ihm hin; vor der Nische blieb er stehen und beobachtete den Ondineaner beim Jonglieren. Schließlich blickte der hoch und erschrak, weil er einen Zuschauer hatte.
»Du kannst das sehr gut«, sagte Tammis schüchtern. »Ich wünschte, ich könnte auch Jonglieren.«
Der Ondineaner nickte und grinste zögernd. »Du bist ein Sibyl. Ich wünschte, ich könnte auch einer sein.« Er fing die Beeren nacheinander auf und legte sie in eine Schale zurück.
»Darf ich mich zu dir setzen?« Tammis deutete auf die Nischen hinter ihm, wo kein einziger Platz mehr frei war.
Der Ondineaner zuckte die Achseln, wie wenn es ihm einerlei wäre. Doch als Tammis ihm gegenüber Platz nahm, ließ er ihn nicht aus den Augen; Tammis kannte diesen Blick, der alles andere als gleichgültig war.
»Was für ein Tier ist das?« fragte Tammis, als die pelzige Kreatur auf der Tischplatte ihn anstarrte, wie wenn sie ihn studieren
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