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Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Titel: Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sawatzki
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gingen jedes Jahr welche zu Bruch. Der nette Besitzer half mir, die Kartons in meinem Ford Fiesta zu verstauen, und auf dem Heimweg fuhr ich beschwingt an der Schule vorbei, um Mätzchen und seinen Freund Jakob abzuholen. Sie standen schon auf dem Gehweg und warteten auf mich. Ich sprang aus dem Wagen, öffnete den Jungs die hintere Tür und bemerkte da erst, dass sich die Christbaumkugeln auf der Rückbank bis unters Dach stapelten.
    »Ihr müsst laufen, ihr passt nicht mehr rein.«
    »Wir können nicht laufen, das ist viel zu gefährlich.« Matz wusste, wie er mich kriegen konnte. Aber ich blieb standhaft.
    »Meine Mutter erlaubt nicht, dass ich tagsüber allein auf der Straße bin«, sagte Jakob.
    »Du bist nicht allein, Matz ist bei dir.«
    »Matz ist selbst noch ein Kind, der nützt nichts.«
    »Stimmt. Was hast du da überhaupt drin in den Schachteln?«, fragte Matz neugierig.
    »Geschenke.«
    »Geschenke?!«
    Matz kniff die Augen zusammen und versuchte etwas zu erkennen.
    »Ja, alles für Weihnachten. Alles für euch!«
    »Auch für mich?«
    »Natürlich auch für dich.«
    »Jakob, wir laufen!« Matz setzte sich zielstrebig in Bewegung und zog den maulenden Jakob mit sich.
    Zu Hause angekommen, brauchte ich eine Weile, um alle Kartons in den Keller zu räumen. 398 Euro, aber dafür waren wir bis an unser Lebensende mit Weihnachtsschmuck versorgt. Ich hörte die Jungs nach Hause kommen, das hatte also auch geklappt.
    Dann fielen mir die Kochbücher in die Augen. Verflixt. Ich hatte die Enten vergessen! Und nur noch ein Tag bis Weihnachten. Ich musste noch mal los.
    »Matz?« Keine Reaktion. »Matz! Ich muss noch mal los!«
    Totenstille. Wenn Kinder keine Geräusche mehr machen, ist das immer ein schlechtes Zeichen.
    Ich stieg die Treppe zu Matz’ Zimmer hoch und lauschte an der Tür. Aus dem Badezimmer gegenüber drang leises Kichern. Ich lugte durch den Türspalt. Die Jungs standen vor dem Waschbecken und blickten fasziniert auf einen riesigen Schaumberg.
    »Was macht ihr da?«
    Die Kinder zuckten zusammen und sahen mich an wie eine Fata Morgana.
    »Was?«
    »Was ihr da macht?«
    »Nichts.«
    »Matz, hör auf, ich hab doch Augen im Kopf. Was habt ihr da im Waschbecken?«
    »Mama, wir machen ein Experiment, und du störst gerade.«
    »Kinder, ich hab jetzt wirklich keine Zeit, was für ein Experiment ist das?« Mir wurde heiß. Das ist neuerdings immer so, wenn ich mich aufrege. Ich bekomme einen hochroten Kopf, Schweißausbrüche und Atemnot. Meine Mutter sagt, das seien die Vorboten der Wechseljahre.
    Ich bin gerade mal siebenundvierzig. Aber so war sie schon immer. Sie denkt nur an sich und spürt nichts von den Verletzungen, die sie anderen zufügen könnte.
    Ich blickte wieder ins Waschbecken. Der Schaum bewegte sich.
    »Matz, da bewegt sich doch was.«
    Er versuchte, gleichgültig zu klingen. »Rüssel.«
    Rüssel war unser Meerschweinchen. Schon ein älteres Semester, bis dahin sehr zutraulich und ziemlich verfressen.
    »Er wollte gern baden, weil bald Weihnachten ist. Er sah richtig unglücklich und schmutzig aus.«
    »Und der stinkt immer so!«, warf Jakob ein. Die beiden machten sorgenvolle Gesichter. Der Berg gab ein zartes Knattergeräusch von sich und vibrierte.
    Ich schob Matz beiseite, griff beherzt in den Schaum und zog etwas hervor, das sich anfühlte wie ein Kartoffelkloß mit Beinen. Rüssel strampelte und biss mich zum Dank in den Finger. Ich hielt den Jungs das völlig durchnässte Tier vor die Nase. »Schaut euch das mal an! Der bekommt jetzt eine Lungenentzündung, und an Weihnachten gibt es keinen Tierarzt.«
    »Wir gehen einfach in die Tierklinik, das machen wir doch am Wochenende auch immer.«
    »Nein, Matz, jetzt ist Schluss, ich bin wirklich böse! Meerschweinchen baden nicht. Grundsätzlich nicht. Die kommen aus Südamerika, da können die gar nicht baden.«
    »Aber Rüssel ist doch Berliner.«
    Was sollte man darauf antworten?
    Ich wickelte das Schweinchen in ein Handtuch und war in Gedanken schon wieder bei meinen Weihnachtsvorbereitungen.
    »Reibt ihn trocken, und benehmt euch, ich muss noch mal los, ja?« Damit war ich aus der Tür und ging ein letztes Mal auf Entenjagd.

4.
    Kapitel
    Der Abend des Dreiundzwanzigsten kam, und ich war guter Stimmung. Ich hatte aus der Tiefkühltruhe eines kleinen Supermarkts noch zwei schöne Bioenten hervorgezogen. Ohne Geralds Hilfe.
    Jetzt würde ich die besten Weihnachtsenten auf den Tisch zaubern, die unsere Gäste je gegessen hatten. Ich

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