Tief im Herzen: Roman (German Edition)
Wie sollte er in seinem eigenen Bett schlafen, ohne sich daran zu erinnern, wie sie sich auf diesen Laken geliebt hatten?
Er konnte sich nicht auf die Arbeit konzentrieren. Wie sollte er Diagonalen berechnen, ohne sich daran zu erinnern, wie sie ihn angestrahlt hatte, als er ihr die Werkstatt gezeigt hatte?
So gab er schließlich auf und fuhr vormittags nach Princess Anne. Aber er brachte ihr keine Blumen mit. Jetzt war nämlich er zur Abwechslung sauer.
Mit großen Schritten durchquerte er den Empfangsraum und ging direkt zu ihrem Büro. Er kochte, als er es leer vorfand. Typisch, dachte er. Sein Glück hatte ihn im Stich gelassen.
»Mr. Quinn.« Marilou stand mit verschränkten Händen in der Tür. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Ich suche Anna – Ms. Spinelli.«
»Tut mir leid, sie ist nicht im Hause.«
»Dann warte ich.«
»Da werden Sie aber lange warten müssen. Sie kommt erst nächste Woche wieder.«
»Nächste Woche? Wie darf ich das verstehen?«
»Ms. Spinelli hat sich diese Woche freigenommen.« Und Marilou konnte sich den Grund dafür denken, da er sie jetzt mit seinen grauen Augen durchbohrte. Sie hatte schon so eine Ahnung gehabt, als Anna heute morgen ihren Bericht abgegeben und um Urlaub gebeten hatte. »Ich bin mit der Aktenlage vertraut, wenn sie eine spezielle Frage haben.«
»Nein, es geht um persönliche Dinge. Wohin ist sie gefahren?«
»Diese Information kann ich Ihnen leider nicht geben, Mr. Quinn, aber Sie können ihr gern eine Nachricht hinterlassen. Wenn sie zurückkommt, richte ich ihr aus, daß Sie mit ihr zu sprechen wünschen.«
»Ja, danke.«
Er konnte nicht schnell genug den Rückzug antreten.
Vermutlich saß sie in ihrem Apartment, dachte er, als er in seinen Wagen sprang, und schmollte. Also würde er sich geduldig von ihr anbrüllen lassen, damit sie alles loswerden konnte. Dann würde er sie ins Bett locken, damit sie dieses absurde kleine Zwischenspiel endgültig hinter sich lassen konnten.
Er ignorierte seinen nervösen Magen, als er auf ihre Wohnung zuging. Er klopfte laut und energisch und schlug dann mit der Faust gegen die Tür.
»Verdammt noch mal, Anna. Mach auf. Das ist doch zu blöd. Ich hab’ deinen Wagen draußen vor dem Haus gesehen.«
Die gegenüberliegende Tür ging knarrend auf, und eine der Schwestern spähte hinaus. Das Geplärre einer Spielshow erfüllte den Flur. »Sie ist nicht da, unsere Anna, junger Mann.«
»Ihr Wagen steht draußen«, erwiderte er.
»Sie hat ein Taxi genommen.«
Er unterdrückte einen Fluch, setzte ein charmantes Lächeln auf und ging hinüber zu ihr. »Wohin?«
»Zum Bahnhof – oder vielleicht war’s auch der Flughafen.« Sie blickte strahlend zu ihm auf. Wirklich, er war ein so hübscher Junge. »Sie sagte, sie wolle für ein paar Tage wegfahren. Sie hat versprochen anzurufen, um zu hören, ob meine Schwester und ich zurechtkommen. So ein liebes Mädchen, denkt sogar an uns, wenn sie in die Ferien fährt.«
»Ferien in …«
»Hat sie das gesagt?« Sie biß sich auf die Unterlippe und dachte nach. »Ich glaube nicht, daß sie das erwähnt hat. Sie hatte es furchtbar eilig, aber sie ist trotzdem vorbeigekommen, damit wir uns keine Sorgen machen. Sie ist ja so ein rücksichtsvolles Mädchen.«
»Ja.« Das liebe, rücksichtsvolle Mädchen hatte ihn hängenlassen.
Eigentlich hätte sie nicht nach Pittsburgh fliegen dürfen; das Ticket hatte ein großes Loch in ihre Haushaltskasse
gerissen. Aber sie hatte einfach herkommen müssen. Nachdem sie das Reihenhaus ihrer Großeltern betreten hatte, fühlte sie sich schon wesentlich besser.
»Anna Louise!« Theresa Spinelli war eine winzige, schlanke Frau mit stahlgrauem, stark gewelltem Haar. Ihr Gesicht zeigte zahllose Falten, und ihr Lächeln war offenherzig. Anna mußte sich tief hinunterbeugen, um sich umarmen und küssen zu lassen. »Al, Al, unsere bambina ist zu Hause.«
»Es tut gut, zu Hause zu sein, Nana.«
Alberto Spinelli kam schnell zur Haustür. Er war gut dreißig Zentimeter größer als seine Frau mit ihren einssiebenundfünzig, hatte eine breite Brust und Rettungsringe um die Taille herum, die sich weich gegen Anna preßten, als sie sich umarmten. Sein Haar war dünn und weiß, und seine dunklen Augen funkelten fröhlich hinter den dicken Brillengläsern. Er trug sie beinahe ins Wohnzimmer, wo beide gleich anfingen, sie zu bemuttern.
Sie sprachen schnell in einem Gemisch aus Italienisch und Englisch. Die erste Frage galt dem Essen. Theresa
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