Tief im Herzen: Roman (German Edition)
und gar vernünftig, obwohl sie innerlich kochte. »Und du hieltest es wohl für das Beste, diese Sache vor mir als Seths Betreuerin geheimzuhalten. Du wolltest mir nur die positive Seite zeigen und die negative unter Verschluß halten.«
»Mein Vater hat sich nicht umgebracht. Ich brauche ihn weder vor dir noch vor irgend jemand anderen in Schutz zu nehmen.«
»Nein, das brauchst du nicht. Ich würde es auch nie von dir verlangen.« Sie ging zum Ausgang und drehte sich dort noch mal um. »Es hat keinen Sinn zu streiten, Cam, wenn wir uns im Grunde einig sind.«
»Es hat keinen Sinn, sauer zu sein«, konterte er. »Wir werden schon mit der Versicherung fertig. Wir werden auch mit dem Klatsch fertig, daß Seth ein Kind der Liebe meines Vaters sein soll.«
»Wie bitte?« Schockiert faßte sie sich an den Kopf. »Es wird geredet, daß Seth der uneheliche Sohn deines Vaters ist?«
»Das ist nichts weiter als Schwachsinn und Borniertheit«, erwiderte Cam.
»Mein Gott, hast du auch nur einen Augenblick lang bedacht, wie Seth solches Gerede aufnehmen könnte? Hast du bedacht, daß ich davon etwas hätte wissen müssen, um Seth helfen zu können?«
Er steckte die Hände in seine Hosentaschen. »Ja, das habe ich bedacht und mich entschlossen, es dir nicht zu sagen. Weil wir schon damit klarkommen. Hier geht es um meinen Vater.«
»Hier geht es auch um ein minderjähriges Kind, das in deine Obhut gegeben wurde.«
»Richtig, er befindet sich in meiner Obhut«, sagte Cam gelassen. »Das ist der springende Punkt. Ich tue, was ich für das Beste halte. Ich habe dir nichts davon erzählt, weil all das nur Lügen sind.«
»Mag sein, aber du hättest es mir nicht verschweigen dürfen.«
»Ich wollte diesen Mist einfach nicht verbreiten, daß der Kleine der Bastard meines Vaters sein soll.«
Sie nickte langsam. »Tja, dann laß dir von dem Bastard eines anderen Mannes sagen, daß Seth dadurch als Mensch keinen Deut weniger wertvoll ist.«
»So habe ich es nicht gemeint«, begann er und griff nach ihr. Doch sie wich ihm aus. »Tu das nicht.« Er explodierte und packte sie an den Armen. »Zieh dich nicht von mir zurück. Um Himmels willen, Anna, mein Leben steht seit einigen Monaten Kopf, und ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis ich das Steuer wieder herumwerfen kann. Ich muß mich um den Kleinen kümmern, um das Geschäft, um dich. Mackensie treibt hier sein Unwesen, die Leute tuscheln in der Gemüseabteilung des Supermarkts über den Lebenswandel meines Vaters. Seths Mutter, dieses Miststück, ist drüben in Norfolk …«
»Warte.« Diesmal zog sie sich nicht zurück, sie riß sich los. »Seths Mutter hat Kontakt mit euch aufgenommen?«
»Nein. Nein.« Gott, er drehte durch. »Wir haben einen Detektiv beauftragt, sie zu finden. Phillip meinte, es wäre besser, wenn wir wüßten, wo sie ist und was sie vorhat.«
»Ich verstehe. Und sie ist in Norfolk. Aber mir das zu erzählen, hast du auch nicht für nötig gehalten.«
»Nein, ich habe es dir nicht erzählt.« Er hatte sich selbst ins Abseits manövriert, erkannte Cam. Und es gab keinen Ausweg. »Wir wissen nur, daß sie vor ein paar Tagen dort war.«
»Du hättest mir das sagen müssen.«
Er sah sie an und nickte langsam. »Ja, sicher. Mein Fehler.«
Zwischen ihnen hatte sich eine spürbar tiefe Kluft aufgetan, erkannte sie. »Offenbar hältst du nicht besonders viel von mir – oder auch von dir. Ich will dir mal was erklären. Unabhängig von meinen Gefühlen für dich, bin ich
der Meinung, daß du und deine Brüder die richtigen Bezugspersonen für Seth seid.«
»Na schön, also …«
»Ich werde die Informationen, die ich gerade erhalten habe, allerdings berücksichtigen müssen«, fuhr sie fort. »Sie werden festgehalten werden müssen.«
»Das wird dem Kleinen nur alles verderben.« Es ärgerte ihn, daß er sich bei diesem Gedanken nicht wohlfühlte. Er haßte die Vorstellung, wieder Furcht auf Seths Gesicht zu sehen. »Ich werde nicht zulassen, daß ihm irgendein kranker Klatsch alles kaputtmacht.«
»Nun, in diesem Punkt sind wir uns ja einig.« Anna wußte nun, wieviel ihm Seth bedeutete.
»Meine Einschätzung ist die, daß für Seth sowohl körperlich als auch emotional gut gesorgt wird.« Ihre Stimme klang jetzt energisch, nüchtern. »Er ist glücklich und fühlt sich allmählich sicher. Hinzu kommt, daß ihr beide euch liebt, auch wenn ihr euch darüber nicht ganz im klaren seid. Ich glaube immer noch, daß therapeutische Begleitung
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