Tief im Herzen: Roman (German Edition)
fassen.
»Ich weiß.« Cam seufzte. »Da wir diesen Punkt geklärt haben, kommen wir zum nächsten. Nichts Schlimmes, bloß so ein blöder Rechtsstreit. Phil und der Anwalt kümmern sich in erster Linie darum, aber es könnte Gerede geben. Du solltest nichts darauf geben, wenn dir irgendwas zu Ohren kommt.«
»Was für ein Gerede?«
»Manche Leute – Idioten – denken, daß Dad absichtlich gegen den Mast gefahren ist, um sich umzubringen.«
»Ja, und jetzt stellt dieser Trottel von der Versicherung überall Fragen.«
Cam wußte, daß er dem Kleinen eigentlich verbieten sollte, Erwachsene als Trottel zu bezeichnen, aber hier hatten sie es mit wichtigeren Dingen zu tun. »Du wußtest es?«
»Sicher, es macht die Runde. Er hat mit Dannys und Wills Mutter gesprochen. Danny sagt, sie hätte ihm die Leviten gelesen. Sie hätte was dagegen, Fragen über Ray zu beantworten. Dieser Blödmann Chuck im Dairy Queen hat
dem Detektiv erzählt, Ray hätte mit seinen Studentinnen herumgevögelt, und dann hätte er eine Gewissenskrise gehabt und sich umgebracht.«
»Gewissenskrise.« Himmel, wo schnappte der Junge solche Worte auf? »Chuck Kimball? Der war immer schon ein Blödmann. Man munkelt, daß er bei einer Klausur geschummelt hat und deshalb das College verlassen mußte. Und wenn ich mich nicht irre, hat Phillip ihn mal verprügelt. Aber ich weiß nicht mehr, warum.«
»Der hat ein Gesicht wie ein Karpfen.«
Cam lachte. »Ja, stimmt. Dad – Ray – hat nie eine seiner Studentinnen angerührt, Seth.«
»Er war ehrlich zu mir.« Und das zählte mehr als alles andere. »Meine Mutter …«
»Nur zu«, half ihm Cam auf die Sprünge.
»Sie hat mir gesagt, er wäre mein Vater. Aber ein anderes Mal hat sie gesagt, dieser andere Typ wäre es, und einmal, als sie so richtig voll war, sagte sie, mein alter Herr wäre ein Typ namens Keith Richards.«
Cam konnte nicht anders, er prustete los. »Himmel, dann hat sie es auch auf die Stones abgesehen?«
»Auf wen?«
»Um deine musikalische Erziehung kümmere ich mich später.«
»Ich weiß nicht, ob Ray mein Vater ist.« Seth schaute auf. »Sie ist eine Lügnerin, deshalb glaube ich ihr nichts. Aber er hat mich aufgenommen. Ich weiß, daß er ihr Geld gegeben hat, viel Geld. Ich weiß nicht, ob er es mir gesagt hätte, wenn er mein Vater ist. Er meinte, wir müßten über einiges reden, aber vorher müßte er noch was klären. Ich weiß, daß du nicht willst, daß er mein Vater ist.«
Das spielte keine Rolle mehr, dachte Cam. »Willst du es denn?«
»Er war anständig«, sagte der Junge leise, und Cam legte einen Arm um seine Schulter. Seth lehnte sich an ihn.
»Ja, das war er.«
Alles hatte sich geändert. Alles war anders geworden. Und Cam brannte darauf, es ihr zu erzählen. Er wußte, daß sich sein Leben total verändert hatte. Und irgendwie war er genau an den Punkt gelangt, an dem er immer sein wollte.
Das einzige, was ihm fehlte, war Anna.
Er ging das Risiko ein und fuhr zu ihrer Wohnung. Es war Samstag abend. Montag mußte sie wieder arbeiten. Sie war eine praktische Frau und würde den Sonntag nutzen, um sich einzugewöhnen, ihre Wäsche zu waschen und ihre Post zu beantworten. Wenn sie nicht zu Hause war, würde er auf ihrer Türschwelle sitzen bleiben und auf sie warten. Aber als sie auf sein Klopfen öffnete und so frisch und wunderschön in der Tür stand, verlor er die Fassung.
Anna wiederum hatte sich die ganze Woche auf diese Begegnung vorbereitet. Sie wußte genau, wie sie sich verhalten mußte. »Cam, welche Überraschung. Du hättest mich um ein Haar verpaßt.«
»Verpaßt?« fragte er verständnislos.
»Ja, aber ich habe noch ein paar Minuten Zeit. Möchtest du reinkommen?«
»Ja, ich – wo hast du gesteckt?«
Sie tat erstaunt. »Pardon?«
»Du bist aus heiterem Himmel verschwunden.«
»Das würde ich nicht sagen. Ich habe mir freigenommen, meinen Nachbarn Bescheid gesagt und meine Pflanzen während meiner Abwesenheit gießen lassen. Ich wurde nicht von Außerirdischen entführt, ich habe mir lediglich ein paar Tage Urlaub und Zeit zum Nachdenken gegönnt. Möchtest du Kaffee?«
»Nein.« Na gut, dachte er, sie wollte die Kühle spielen. Das konnte er auch. »Ich möchte mit dir reden.«
»Das trifft sich gut, weil ich nämlich auch mit dir reden möchte. Wie geht’s Seth?«
»Es geht ihm prima. Wirklich. Wir haben einiges geklärt. Gerade heute …«
»Was hast du mit deinem Arm gemacht?«
Ungeduldig blickte er auf die
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