Tief im Herzen: Roman (German Edition)
Er hätte den Jungen doch nicht allein gelassen.«
»Das hat er nicht getan.« Ethan ging zur Kaffeemaschine hinüber. »Er hat ihn bei uns gelassen.«
»Wie zum Teufel sollen wir ihn behalten können?« Cam setzte sich wieder. "Wer wird uns einen Jungen adoptieren lassen?«
»Wir finden einen Weg.« Ethan goß Kaffee ein und gab derart viel Zucker hinzu, daß Phillip zusammenzuckte. »Er gehört jetzt zu uns.«
»Und was sollen wir mit ihm anfangen?«
»Ihn in der Schule anmelden, ihm ein Dach über dem Kopf geben, seinen Bauch mit Essen füllen und versuchen, ihm etwas von dem zu geben, was man uns gegeben hat.« Er brachte die Kaffeekanne mit und schenkte Cam nach. »Hast du was dagegen einzuwenden?«
»Ich habe jede Menge Einwände, aber keiner führt daran vorbei, daß wir unser Wort gegeben haben.«
»In dem Punkt sind wir uns jedenfalls einig.« Phillip runzelte die Stirn und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Aber einen sehr wichtigen Aspekt haben wir außer acht gelassen. Niemand von uns weiß, was Seth dazu zu sagen hat. Vielleicht will er gar nicht hierbleiben. Vielleicht will er nicht bei uns leben.«
»Du legst es ja bloß darauf an, die Dinge zu komplizieren, wie gewöhnlich«, beschwerte sich Cam. »Wieso sollte er das nicht wollen?«
»Weil er dich nicht kennt und mich nur wenig. Der einzige, mit dem er Zeit verbracht hat, ist Ethan.«
»So oft waren wir auch nicht zusammen«, meinte Ethan. »Ein paarmal bin ich mit ihm auf dem Boot rausgefahren.
Er hat eine rasche Auffassungsgabe und geschickte Hände. Hat nicht viel zu sagen, aber wenn doch, dann hat er eine große Klappe. Er war manchmal mit Grace zusammen. Sie scheint ihn zu mögen.«
»Dad wollte, daß er bleibt«, stellte Cam achselzuckend fest. »Also bleibt er.« Er blickte auf, als er es dreimal kurz hupen hörte.
»Das wird Grace sein. sie wollte ihn auf dem Weg zu Shiney’s Pub hier absetzen.«
»Shiney’s Pub?« fragte Cam erstaunt. »Was macht sie denn drüben im Shiney’s?«
»Sie verdient dort ihre Brötchen, nehme ich an«, erwiderte Ethan.
»Oh, ja.« Er grinste träge. »Läßt er seine Kellnerinnen immer noch in diesen kurzen Röcken mit den Schleifen am Hintern und schwarzen Netzstrümpfe herumlaufen?«
»Ja«, sagte Phillip und stieß einen tiefen, wehmütigen Seufzer aus. »Ja, das tut er.«
»Grace füllt dieses Outfit wohl ziemlich gut aus, kann ich mir vorstellen.«
»Ja.« Phillip lächelte. »Ja, das tut sie.«
»Vielleicht gehe ich später kurz auf einen Sprung dort vorbei.«
»Grace ist keines von deinen französischen Models.« Ethan stieß sich vom Tisch ab, nahm seinen Becher und ging ärgerlich zur Spüle. »Laß sie in Ruhe.«
»Holla.« Hinter Ethans Rücken wackelte Cam mit den Brauen und sah dabei Phillip an. "Ich versteh schon, Bruderherz. Hatte ja keine Ahnung, daß du ein Auge auf sie geworfen hast.«
»Hab’ ich nicht. Sie ist Mutter, um Himmels willen.«
»Im letzten Winter in Cancun habe ich mich mal prima mit der Mutter von zwei Kindern amüsiert«, erinnerte sich Cam. »Ihr Ex schwamm in Öl – Olivenöl –, und die Scheidung brachte ihr nur eine Villa in Mexiko, zwei Autos, Kunstgegenstände und zwei Millionen ein. Ich habe eine denkwürdige Woche damit zugebracht, sie zu trösten.
Und die Kinder waren niedlich – aus der Ferne und in Begleitung ihres Kindermädchens.«
»Du bist ja so ein Menschenfreund, Cam«, sagte Phillip zu ihm.
»Ich weiß.«
Sie hörten, wie die Eingangstür ins Schloß fiel, und schauten einander an. »Also, wer redet mit ihm?« wollte Phillip wissen.
»Ich bin in solchen Dingen nicht besonders gut.« Ethan war schon auf dem Weg zur Hintertür. »Und jetzt muß ich meinen Hund füttern.«
»Feigling«, murmelte Cam, als die Tür sich hinter Ethan schloß.
»Und ob. Ich übrigens auch.« Phillip hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. »Du hast den Vortritt. Ich muß noch die Papiere durchsehen.«
»Warte doch mal …« Aber Phillip war verschwunden. Er teilte Seth draußen fröhlich mit, daß Cam mit ihm zu sprechen wünsche. Als der Junge mit dem Welpen in der Küchentür auftauchte, sah er, wie Cam mit finsterem Blick Whisky in seinen Kaffee goß.
Seth steckte die Hände in die Hosentaschen und hob das Kinn. Er wollte nicht hier sein, wollte mit niemanden reden. Bei Grace hatte er einfach auf dem Vorplatz sitzen dürfen, allein mit seinen Gedanken. Selbst als sie für ein Weilchen zu ihm nach draußen gekommen war und sich
Weitere Kostenlose Bücher