Tief im Herzen: Roman (German Edition)
gewesen, was er in den Augen des Jungen sah, oder Trotz, dann hätte es ihn nicht weiter gekümmert. Doch er sah nacktes Entsetzen.
»Du hast Mumm, Kleiner. Und jetzt versuch mal, auch ein bißchen Grips zu aktivieren. Wenn ich Sex will, beschaffe ich mir eine Frau. Hast du mich verstanden?«
Seth konnte nicht sprechen, er konnte nur noch eines denken: daß er diesmal nicht würde entkommen können. Dieses Mal würde er es nicht schaffen, sich freizukämpfen und wegzulaufen.
»Hier ist niemand, der dich auf diese Weise berühren wird. Niemals.« Ohne es zu merken, hatte Cam mit sanfter Stimme gesprochen. Seine Augen funkelten zwar noch, doch die Härte war aus ihnen verschwunden. »Wenn ich dich anfasse, bedeutet das schlimmstenfalls, daß ich versuchen werde, dir ein bißchen Verstand einzubläuen. Hast du kapiert?«
»Ich will nicht, daß du mich anrührst«, brachte Seth heraus. Er bekam kaum noch Luft. Der Angstschweiß überzog seine Haut wie ein Ölfilm. »Ich mag es nicht, wenn man mich berührt.«
»Na schön, in Ordnung. Du bleibst hier sitzen.« Cam zog sich einen Hocker heran und nahm Platz. Da Foolish inzwischen vor Angst zitterte, nahm Cam ihn auf und warf ihn Seth in den Schoß. »Wir haben hier ein Problem«, begann Cam und betete um eine Idee, wie er weiter verfahren sollte. »Ich kann dich nicht vierundzwanzig Stunden am Tag im Auge behalten. Und selbst wenn ich es könnte, würde ich nicht im Traum daran denken. Wenn du nach Florida verschwindest, werde ich dich suchen
und zurückholen müssen. Und das wird mich stinkwütend machen.«
Da der Hund nun schon mal da war, streichelte Seth ihn und zog selbst Trost aus der Zuneigung, die er gab. »Wieso interessiert es dich, wohin ich gehe?«
»Das behaupte ich nicht. Aber Ray hat es interessiert. Also wirst du hierbleiben müssen.«
»Hierbleiben?« Dies war eine Alternative, über die Seth nie nachgedacht hatte. »Hier? Wenn ihr das Haus verkauft …«
»Wer will das Haus verkaufen?«
»Ich …« Seth brach ab. Er fand, daß er zuviel gesagt hatte. »Die Leute glauben, daß ihr das vorhabt.«
»Die Leute sind auf dem Holzweg. Niemand verkauft dieses Haus.« Es überraschte Cam, wie intensiv seine Gefühle in diesem speziellen Punkt waren. »Ich weiß noch nicht, wie wir das alles hinkriegen sollen. Ich arbeite noch daran. Aber in der Zwischenzeit solltest du dir folgendes klarmachen – du bleibst schön hier.« Und das hieß, wie Cam blitzartig erkannte, daß auch er bleiben mußte. Es schien, als hielte seine Pechsträhne an.
»Auf absehbare Zeit, Kleiner, werden wir uns wohl oder übel zusammenraufen müssen.«
3. Kapitel
Cam dachte, daß dies die schlimmste Woche seines Lebens sein mußte. Er hätte in Italien sein sollen, um sich auf das Moto-Cross vorzubereiten, das er sich eigentlich hatte gönnen wollen. Der Großteil seiner Kleider und sein Boot befanden sich in Monte Carlo, sein Wagen stand in Nizza, sein Motorrad in Rom. Er aber war in St. Chris und spielte den Babysitter für einen Zehnjährigen. Er hoffte inständig, daß der Kleine in der Schule war, wo er hingehörte. Heute morgen hatten sie über diese Nebensächlichkeit einen erbitterten
Kampf ausgefochten. Aber sie führten ja fast wegen allem Krieg.
Küchendienst, Sperrstunde, Wäsche, das Fernsehprogramm. Cam schüttelte den Kopf, als er die verfaulenden Treppenstufen an der Hintertür löste. Er ging jede Wette ein, daß der Junge schon einen Anfall bekommen würde, wenn man ihm nur einen guten Morgen wünschte.
Und vielleicht machte er seine Sache als Aufpasser ja auch nicht besonders gut, aber verdammt, er tat, was in seinen Kräften stand. Seine Kopfschmerzen waren der Beweis. Und zumeist war er mit dieser Aufgabe auf sich allein gestellt. Phillip hatte ihm die Wochenenden versprochen, und das war zumindest etwas. Aber es blieben immer noch fünf gräßliche Tage übrig. Ethan achtete darauf, jeden Abend, nachdem er den täglichen Fang eingeholt hatte, vorbeizukommen und ein paar Stunden zu bleiben.
Und tagsüber?
Cam hätte sein Seelenheil für eine Woche auf Martinique geopfert. Heißer Sand und noch heißere Frauen. Kaltes Bier und kein Streit. Statt dessen wusch er die Wäsche, lernte die Geheimnisse der Mikrowelle kennen und versuchte auf einen Jungen aufzupassen, der es darauf anlegte, ihm das Leben schwerzumachen.
»Du warst doch genauso.«
»Von wegen. Ich wäre nicht mal zwölf Jahre alt geworden, hätte ich mich so blöd benommen wie
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