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Tiefe Wunden

Titel: Tiefe Wunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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gut.«
    »Na denn!« Pia hob ihr Glas.
    »Moment«, hielt Bodenstein sie zurück. »Ich finde, es ist allmählich an der Zeit, dass wir uns so benehmen wie alle Kollegen in ganz Deutschland. Was halten Sie davon, wenn wir uns in Zukunft duzen? Ich heiße übrigens Oliver.«
    Pia legte den Kopf schief und grinste.
    »Aber Sie wollen hier jetzt nicht Brüderschaft trinken mit Küssen und so, oder?«
    »Gott bewahre!« Bodenstein grinste auch, dann stieß er mit ihr an und trank einen Schluck. »Ihr Zoodirektor würde mir wahrscheinlich den Hals umdrehen.«
    »Ach du Scheiße!« Erschrocken ließ Pia ihr Glas sinken. »Ich habe Christoph vergessen! Ich wollte ihn doch um halb neun am Flughafen abholen! Wie spät ist es?«
    »Viertel vor elf«, sagte Bodenstein.
    »Verdammt! Ich weiß seine Nummer nicht auswendig, und mein Handy liegt wahrscheinlich irgendwo in einem masurischen See!«
    »Wenn Sie mich nett bitten, gebe ich Ihnen meins«, bot Bodenstein großzügig an. » Ich habe seine Nummer noch gespeichert.«
    »Ich dachte, wir wären jetzt per du«, entgegnete Pia.
    »Sie haben ja noch nicht getrunken«, erinnerte Bodenstein sie. Pia blickte ihn an, dann stürzte sie den Cognac in einem Zug herunter und verzog angeekelt das Gesicht.
    »So, Oliver«, sagte sie, »dann sei so nett, und gib mir bitte dein Handy.«
     
    Christophs Töchter blickten überrascht, als Pia um halb zwölf bei ihnen klingelte. Sie hatten nichts von ihrem Vater gehört und angenommen, Pia habe ihn abgeholt. Annika versuchte, ihn auf dem Handy anzurufen, das jedoch noch immer ausgeschaltet war.
    »Vielleicht hatte der Flug Verspätung.« Christophs zweit älteste Tochter war wenig besorgt um ihren Vater. » Er wird sich schon melden.«
    »Danke.« Pia fühlte sich elend und tief deprimiert. Sie setzte sich in ihren Nissan und fuhr von Bad Soden zum Birkenhof. Bodenstein war jetzt bei seiner Cosima, die ihmseinen Ausrutscher verziehen hatte. Henning und Miriam waren zusammen in einem Hotel in Gidzyko; es war nicht zu übersehen gewesen, dass es bei diesem Abenteuer zwischen ihnen gefunkt hatte. Elard Kaltensee hielt im Krankenhaus Händchen mit Marcus Nowak. Nur sie war allein. Ihre vage Hoffnung, Christoph wäre vom Flughafen aus direkt zu ihr gefahren, erfüllte sich nicht. Der Birkenhof lag im Dunkeln, kein Auto stand vor der Tür. Pia kämpfte mit den Tränen, als sie ihre Hunde begrüßte und die Haustür aufschloss. Wahrscheinlich hatte er gewartet, vergeblich versucht, sie auf dem Handy anzurufen, und war dann mit seiner attraktiven Berliner Kollegin noch etwas trinken gegangen. Verdammt! Wie hatte sie das auch nur vergessen können? Sie schaltete das Licht ein und ließ die Tasche auf den Boden fallen. Plötzlich machte ihr Herz einen Satz. Der Tisch in der Küche war gedeckt, mit Weingläsern und dem guten Geschirr. In einem Sektkühler mit inzwischen geschmolzenem Eis steckte eine Flasche Champagner, auf dem Herd standen abgedeckte Töpfe und Pfannen. Pia lächelte gerührt. Im Wohnzimmer fand sie Christoph tief und fest schlafend auf der Couch. Eine heiße Welle des Glücks strömte durch ihren Körper.
    »Hey«, flüsterte sie und ging neben dem Sofa in die Hocke. Christoph öffnete die Augen und blinzelte verschlafen ins Licht.
    »Hey«, murmelte er. »Tut mir leid, jetzt ist das Essen wohl kalt.«
    »Mir tut’s leid, dass ich vergessen habe, dich abzuholen. Mein Handy ist weg, ich konnte dich nicht anrufen. Aber wir haben alle Fälle gelöst.«
    »Das klingt gut.« Christoph streckte seine Hand aus und berührte liebevoll ihre Wange. »Du siehst ziemlich mitgenommen aus.«
    »Ich hatte ein bisschen Stress in den letzten Tagen.«
    »Aha.« Er betrachtete sie aufmerksam. »Was ist passiert? Deine Stimme klingt irgendwie komisch.«
    »Nicht der Rede wert.« Sie zuckte die Achseln. »Die Haushälterin von Kaltensees wollte mich im Keller einer Schlossruine in Polen erwürgen.«
    »Ach so.« Christoph schien das für einen Scherz zu halten und grinste. »Aber sonst ist alles in Ordnung?«
    »Klar.« Pia nickte.
    Er setzte sich auf und breitete die Arme aus.
    »Du glaubst gar nicht, wie sehr ich dich vermisst habe.«
    »Wirklich? Hab ich dir gefehlt in Südafrika?«
    »O ja!« Er schloss sie fest in die Arme und küsste sie. »Und wie.«

Epilog
September 2007
    Marcus Nowak betrachtete die rußgeschwärzten Reste der Backsteinfassade, die leeren Fensterhöhlen und das eingestürzte Dach. Er sah nicht die Tristesse der Ruine, vor seinem

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