Tiefer gelegt
Kein
Auto. Vier lange Blocks zwischen mir und Bills Apartment.
»Wo steht Ihr Auto?«, wollte Hooker wissen.
»Ich habe kein Auto. Ich bin zu Fuß vom Apartment meines
Bruders hergekommen.«
»An der Fourth Street Ecke Meridian, richtig?«
»Richtig.«
Ich sah Hooker an und fragte mich, ob er das Apartment
verwüstet hatte.
2
E
s gefällt mir nicht, wie Sie mich ansehen«, sagte Hooker.
»Ich habe mich nur gefragt, wozu Sie wohl fähig sind.«
Das Grinsen war wieder da. »Zu fast allem.«
Soweit ich informiert war, stimmte das. Er hatte seine ersten Rennen auf den Staubstrecken des Panhandle im Norden
von Texas gefahren und sich mit Klauen und Zähnen an die
Spitze vorgearbeitet. Er hatte den Ruf, keine Angst zu kennen,
aber das mit der Angst glaubte ich nicht. Jeder Mensch kennt
die Angst. Es kommt darauf an, wie er darauf reagiert. Manche
Menschen hassen sie und meiden jeden Kontakt damit. Manche Menschen ertragen sie als notwendiges Übel. Und manche
Menschen verfallen ihrem Rausch. Ich hätte wetten können,
dass Hooker zur letzten Kategorie gehörte.
Der Wind nahm zu, der Regen peitschte jetzt schräg heran,
und wir rannten in den Schutz des Hauses.
»Sie sind sicher, dass Sie das Casa de Hooker nicht besichtigen möchten?«, fragte Hooker. »Im Casa de Hooker regnet
es nicht.«
»Geschenkt. Ich muss zurück zum Apartment.«
»Okay«, sagte Hooker. »Dann fahren wir eben zurück zum
Apartment.«
»Es gibt kein wir .«
»Falsch. Bis ich mein Boot wiederhabe, sind wir ganz eindeutig wir. Nicht dass ich Ihnen nicht trauen würde … ich
traue Ihnen einfach nicht.«
Ich war sprachlos. Ich merkte, wie mein Kiefer unwillkürlich nach unten sackte und meine Nase Falten warf.
»Niedlich«, sagte Hooker. »Hübsches Naserümpfen.«
»Wenn Sie so überzeugt sind, dass mein Bruder Ihre Yacht
gestohlen hat, sollten Sie das der Polizei melden.«
»Ich habe es schon der Polizei gemeldet. Sobald ich gestern
gelandet war und festgestellt hatte, dass die Yacht weg ist. Ich
habe versucht, Ihren nutzlosen Bruder auf seinem Handy zu
erreichen, aber natürlich meldet er sich nicht. Ich habe mich
auf der Flex II nach ihm erkundigt und zur Antwort bekommen, dass er gekündigt hat. Ich habe es beim Hafenmeister
probiert, aber dort sind alle Scheißunterlagen unbrauchbar.
Alles voller Blut. Ist das nicht lästig? Also habe ich heute
Morgen die Polizei angerufen und Anzeige erstattet. Ich nehme an, das war es dann schon.«
»Vielleicht hat jemand anderes Ihr Boot gestohlen. Vielleicht hat der Typ, der gestern Nacht den Wachmann umgebracht hat, Ihre Yacht geklaut.«
»Vielleicht hat Ihr Bruder den Wachmann umgebracht.«
»Vielleicht hätten Sie gern eine blutige Nase.«
»Genau das, was man von einer Frau namens Barney erwartet«, sagte Hooker.
Ich drehte mich auf dem Absatz um, eilte durch die Lobby
des Hauses und stürmte durch die Tür auf der Rückseite des
Gebäudes zum Parkplatz. Mit gesenktem Kopf kämpfte ich
mich durch Wind und Regen in Richtung Fourth Street vor.
Nur zum Trotz gab ich ein paar Versuchsschüsse mit Bills
Funk-Verriegelung ab, aber nirgendwo hupte oder blinkte es.
Ich hörte Motorgrollen hinter mir, und dann rollte Hooker
in einem silbernen Porsche Carrera vorbei.
Das Fenster auf der Fahrerseite glitt nach unten. »Wollen
Sie mitfahren?«
»Ich bin nass. Das würde die Lederpolster ruinieren.«
»Kein Problem. Das Leder lässt sich abwischen. Außerdem
spiele ich sowieso mit dem Gedanken, auf einen Turbo umzusteigen.«
Ich eilte auf die Beifahrerseite und zog die Tür auf. »Was
erhoffen Sie sich davon, dass Sie mich verfolgen?«
»Früher oder später wird Ihr Bruder mit Ihnen Verbindung
aufnehmen. Dann will ich dabei sein.«
»Ich rufe Sie an.«
»Na klar. Wer’s glaubt. Außerdem habe ich nichts Besseres
zu tun. Eigentlich wollte ich die Woche auf meiner Yacht verbringen.«
Ich wollte Hooker loswerden, aber noch fehlte mir ein Plan.
Ehrlich gesagt hatte ich überhaupt keinen Plan. Alexandra
Barnaby, die große Detektivin, war aufgeschmissen. Tu einfach so, als wäre es ein Getriebe, dachte ich. Du nimmst es
auseinander. Du siehst nach, was kaputt ist. Du setzt es wieder
zusammen. Durchsuchst das Apartment noch einmal ganz
gründlich. Bill war ein offenherziger Mensch. Er hatte keinen
hoch entwickelten Sinn für Geheimniskrämerei. Bestimmt hat
er irgendjemandem etwas erzählt. Diesen Jemand musst du
finden. Schließlich hast du auch den Schlüssel im Hundehaufen
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