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Tiefschlag

Tiefschlag

Titel: Tiefschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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wußte, daß er schon so ziemlich jedes Verbrechen begangen hatte.
    «Ich schlage vor, wir lassen die Finger von dem Kerl», hatte Geoff gesagt. «Schmeißen das Video weg und vergessen die ganze Sache.»
    «Aber so wie ich das sehe», hatte Cal gekontert, «ist er allein aus dem einen Grund noch nie verknackt worden, weil er reich genug ist, sich immer wieder freizukaufen. Weißt du, Geoff, wir können mit dem Video beweisen, daß ein Junge entfuhrt wurde. Das muß doch Schotter wert sein. Und wir wissen, daß der Kerl davon jede Menge besitzt. Sein Auto ist mehr wert als mein Haus.»
    «Ich weiß nicht, Cal. Mir gefällt das nicht.»
    Das war der Anfang von Geoffs Kapitulation. Er wollte, daß jemand anderer das Kommando übernahm, ihm die Vorzüge aufzeigte und alle Probleme aus dem Weg räumte. Das hatte der wortgewandte Cal schon immer bestens gekonnt.
    Besonders bei Geoff. Aber Geoff besaß noch andere Qualitäten. Als Geoff noch bei der Polizei war, hatte er während des Bergarbeiterstreiks urplötzlich alles hingeschmissen. Er war zu einem Sondereinsatz abkommandiert worden und hatte den Befehl bekommen, einen Streikposten aufzulösen. Da hatte er dem Sergeant einfach seinen Helm in die Hand gedrückt und war gegangen. War nach Hause gegangen und hatte sich ein paar Frosties reingezogen. So hatte er die Polizei verlassen. Hatte die Frosties verputzt, seinen Dienstausweis in einen Umschlag gesteckt, diesen in einen Briefkasten geworfen und war nie wieder zurückgegangen.
    Cal schüttelte den Kopf. Er wurde nie aus seinen Mitmenschen schlau. Sie konnten ihn immer wieder verblüffen. Aber wenn sie sich bei Franco Tampon clever anstellten, würden sie beide reich. Er würde den Kerl einfach anrufen können: «He, Franco, schick mir einen neuen Benz vorbei.»
    Und Franco am anderen Ende der Leitung: «Gnade.»
    Aber die Kopie des Bandes, die er nun in Karens Zimmer versteckt hatte, war eine gute und sinnvolle Lebensversicherung. Franco Tampon war immerhin eine große Nummer in der Unterwelt. Seine Jungs würden nicht lange fackeln, wenn’s darum ging, Cals Zimmer oder Geoffs Haus auf den Kopf zu stellen. Alles, um das Beweisstück in die Finger zu bekommen. Aber nie kämen sie auf die Idee, in Jeanies Haus zu suchen. Vergnügt das ausgelassene Liedchen pfeifend, das Jeanies Vater früher immer gesungen hatte, sprang er immer zwei Stufen auf einmal die Treppe herunter. Karen folgte ihm wie eine kleine Lady - sie nahm eine Stufe nach der anderen. Und sie könnte nicht mal pfeifen, wenn’s um ihr Leben ging.
    Cal hielt ihr die Tür auf, winkte Jeanie noch einmal zu und führte seine Tochter zum Auto, das er am Bordstein geparkt hatte.
    Er wirkt irgendwie beschwingter, dachte Jeanie. Als wäre eine Last von seinen Schultern gefallen.
     

KAPITEL VIER
     
    W enn Sam später darüber sprach, dann sagte er, die ganze Sache habe angefangen, als er die Frau von Scottish Widows kennenlernte. Aber so war es nicht. Die ganze Sache begann erheblich früher an diesem Tag. Sam und die Frau von Scottish Widows begegneten sich erst später.
    Aber es ist schon merkwürdig, wie man sich im nachhinein Ereignisse passend zurechtbiegt. Wenn es allein nach dem Gedächtnis ging, würden alle Ereignisse im Leben umgeordnet und modifiziert. Sam hatte jung geheiratet, und seine Frau Donna hatte ihm eine Tochter namens Bronte geschenkt. Bronte war zwei Jahre alt, als sie und Donna bei einem Unfall starben. Der Täter hatte Fahrerflucht begangen, und Sam soff sich in die Bewußtlosigkeit. Wenn Sam heute auf sein Leben zurückblickte, kam es ihm vor, als sei er schon immer Alkoholiker gewesen und seine Frau und Tochter lediglich ein herrliches Intermezzo eines permanenten Vollrauschs.
    Er verdrängte diesen Gedankengang. Es stimmte, er war ein Alkoholiker, aber er war trocken, seit elf Monaten, einer Woche, vier Tagen und sieben Stunden nüchtern. Und davor, vor diesem Rückfall, davor war er fast zehn Monate trocken gewesen. Diesmal hatte er es gepackt, immer schön einen Tag nach dem anderen. So machte man das, immer einen Tag nach dem anderen. Heute hatte er noch keinen Drink gehabt, hatte nicht mal daran gedacht, sich ein Gläschen zu genehmigen, und er würde sich auch keines genehmigen, nicht zum Mittagessen, nicht nachmittags und auch nicht abends.
    Morgen? Nun, wer macht schon Pläne? Erst mal den heutigen Tag richtig leben. Um das Morgen kümmern wir uns, wenn’s soweit ist. Aber Sam glaubte nicht, daß er morgen trinken würde.

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