Tiere essen
dieses Erbe für sich reklamieren. Nur wenige können wirklich Landwirtschaft betreiben, doch wir alle, um Wendell Berrys Formulierung zu verwenden, werden Vertreter-Landwirtschaft betreiben. Doch wen werden wir zu unserem Vertreter ernennen? Im ersten Szenario verleihen wir einer kleinen Gruppe von Männern, die selbst nur beschränkte Kontrolle über den technokratischen Agrobusiness hat, ungeheure moralische und finanzielle Gestaltungsmacht. Im zweiten Szenario würden wir nicht nur echte Farmer zu unseren Vertretern machen, sondern auch Tausende von Experten, deren Leben sich an gesellschaftlichen, nicht an unternehmerischen Werten orientiert – Menschen wie Dr. Aaron Gross, den Gründer von Farm Forward, einer Organisation zur Förderung von nachhaltigem Ackerbau und Viehzucht, die neue Wege zu einer Lebensmittelversorgung aufzuzeigen sucht, die unsere unterschiedlichen Werte wirklich widerspiegelt.
Die Agrarindustrie hat es geschafft, die Menschen ihrer Nahrung zu entfremden, Farmer aus dem Weg zu räumen und aus zuschalten und die Landwirtschaft nach unternehmerischen Geboten zu kontrollieren. Doch was, wenn Farmer wie Frank und ihre langjährigen Mitstreiter wie die American Livestock Breeds Conservancy sich mit jüngeren Gruppen wie Farm For ward zusammentäten, die Teil eines Netzwerks engagierter, wählerischer Allesesser und vegetarischer Aktivisten sind – Stu denten, Wissenschaftler, Gelehrte; Eltern, Künstler und religiöse Autoritäten; Rechtsanwälte, Köche, Geschäftsleute und Landwirte? Was, wenn Frank, anstatt seine Zeit damit zu vergeuden, einen einigermaßen akzeptablen Schlachthof aufzutreiben, mithilfe solcher neuen Bündnisse immer mehr Energie darauf verwenden könnte, die besten neuen Technologien mit den bes ten landwirtschaftlichen Traditionen zu verknüpfen, um wieder ein menschlicheres und nachhaltigeres – und demokratische res – Agrarsystem zu schaffen?
Ich bin Veganer und baue Schlachthöfe
Ich bin jetzt mehr als mein halbes Leben Veganer, und auch wenn zahlreiche andere Aspekte meine Entscheidung seither gestützt haben – vor allem Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen, aber auch persönliche und gesellschaftliche Gesundheitsfragen –, stehen doch für mich die Tiere im Zentrum. Darum sind Menschen, die mich gut kennen, so überrascht, wenn sie erfahren, dass ich einen Schlachthof entwerfe.
Ich habe in verschiedensten Zusammenhängen für pflanzliche Ernährung gestritten und bin weiterhin der Ansicht, dass man am besten vom Teil des Problems zum Teil der Lösung wird, wenn man so wenig tierische Produkte wie möglich verbraucht – im Idealfall gar keine. Doch meine Prioritäten als Aktivist haben sich verscho ben, genau wie mein Selbstverständnis. Früher fand ich, vegan zu leben sei an sich schon ein fortschrittliches, gegenkulturelles State ment. Doch inzwischen ist mir klar, dass die Werte, die mich zu dieser Entscheidung geführt haben, vor allem anderen aus meinem familiären Hintergrund auf einer kleinen Farm stammen.
Wenn man über Massentierhaltung Bescheid weiß und so etwas wie traditionelle Moralvorstellungen zur Tierhaltung geerbt hat, dann kann man kaum anders, als im tiefsten Inneren davon angewidert zu sein, was aus der Nutztierhaltung geworden ist. Und ich rede hier nicht über hochheilige ethische Grundsätze, sondern über die Wertvorstellungen eines Ranchers, der kein Problem mit Kastration oder Brandzeichen hat, der die Kümmerlinge tötet und eines schönen Tages das Tier, das ihn bisher vor allem als Futterversorger kannte, zur Schlachtbank führt und ihm die Kehle durchschneidet. Aber bei alldem war auch Raum für Mitgefühl mit dem Tier, woran man sich vielleicht aus schierer Notwendigkeit nicht so sehr erinnert. Doch die Formel für gute Tierhaltung ist auf den Kopf gestellt worden. Anstatt über die Behandlung der Tiere zu sprechen, zeigen Farmer heute oft eine unwillkürliche Abwehrreaktion, wenn das Thema Tierschutz angeschnitten wird: »Niemand arbeitet in dieser Branche, weil er Tiere hasst.« Was für eine seltsame Äußerung. Sie sagt etwas aus, indem sie es nicht sagt. Der Satz impliziert natürlich, dass viele dieser Leute Viehhalter geworden sind, weil sie Tiere mögen, sie gern versorgen und beschützen wollen. Natürlich ist das ein Widerspruch, aber ich würde gar nicht behaupten, dass nicht auch Wahrheit darin steckt. Gleichzeitig klingt es wie eine Entschuldigung, ohne eine zu sein. Wieso muss eigentlich betont werden, dass
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