Tiere essen
eine für Eier, eine für Fleisch.
Die Genetik der Hühner wurde ebenso gründlich manipu liert wie ihr Futter und ihre Umgebung, damit sie entweder große Mengen Eier produzierten (Legehennen) oder Fleisch, vor allem Brustfleisch (Masthühner) . Zwischen 1935 und 1995 stieg das Durchschnittsgewicht eines Masthuhns um 65 Prozent, während seine Lebensdauer bis zur Schlachtung um 60 Prozent verkürzt und der Futterbedarf um 57 Prozent gesenkt wurde. Zur Verdeutlichung, wie radikal diese Veränderungen waren, stellen Sie sich vor, ein Kind ernährt sich ausschließlich von Müsliriegeln und Vitamintabletten und wächst in zehn Jahren auf 140 Kilo heran.
Diese Manipulation der Genetik des Huhns war nicht nur ein Punkt unter vielen: Sie legte auch fest, wie die Vögel gehalten werden mussten. Nach den genetischen Veränderungen wurden Medikamente nicht mehr allein wegen des Profits eingesetzt, sondern anders wären die Vögel schlicht nicht mehr »gesund« gewesen, und in Freiheit hätten sie vielleicht nicht mal überlebt.
Noch schlimmer ist, dass diese genetisch grotesken Vögel nicht nur einen Teil der Industrie ausmachen – sie sind praktisch die einzigen Hühner, die noch zum Verzehr gezüchtet werden. Es gab in Amerika einmal Dutzende Hühnerrassen (zum Beispiel Jersey Giants, New Hampshire, Plymouth Rock), die jeweils an die Bedingungen in ihrer Region angepasst waren. Jetzt haben wir nur noch Fabrikhühner.
In den 1950er-und 1960er-Jahren erreichten die Geflügel-unternehmen die totale vertikale Integration. Sie besaßen den Genpool (heute sind drei Viertel der Genetik sämtlicher Masthühner der Welt in der Hand von zwei Firmen), die Vögel selbst (die Farmer versorgen sie nur wie Betreuer im Ferienlager), die benötigten Medikamente, Futter, Schlachthäuser, Verarbeitungsbetriebe und Handelsmarken. Nicht nur die Technik hatte sich verändert: Die Artenvielfalt wurde durch genetische Einheitlichkeit ersetzt, das Studienfach »Viehzucht« wurde in »Tierwissenschaften« umbenannt, ein Geschäftsbereich, der einst vornehmlich von Frauen betrieben wurde, wurde von Männern übernommen, und fachkundige Farmer wurden durch Lohnarbeiter ersetzt. Niemand hat einen Startschuss für das Rennen an den Tiefpunkt abgefeuert. Die Erde hat sich nur ein wenig geneigt, und alle sind in den Abgrund gerutscht.
Der erste Massentierhaltungsbetrieb
DER INDUSTRIELLE BETRIEB war eher ein Vorfall als eine Innovation. Kahle Sicherheitsstreifen verdrängten Weiden, Gebäudekomplexe für die Massentierhaltung wurden hochgezogen, wo vorher Scheunen standen, und genetisch manipulierte Tiere – Vögel, die nicht fliegen können, Schweine, die nicht draußen leben können, Puten, die sich nicht auf natürlichem Wege fortpflanzen können – ersetzten die einst vertraute Gemeinschaft auf dem Bauernhof.
Was bedeuten diese Veränderungen? Jacques Derrida ist einer der ganz wenigen zeitgenössischen Philosophen, die sich mit dieser unbequemen Frage beschäftigt haben. »Wie auch immer man es interpretiert«, sagt er, »welche praktischen, technischen, wissenschaftlichen, rechtlichen, ethischen oder politischen Konsequenzen man auch daraus zieht, niemand kann die beispiellosen Ausmaße der Unterwerfung des Tieres mehr leugnen.« Und er fährt fort:
Eine solche Unterwerfung … kann man im moralisch neutralsten Sinne des Wortes Grausamkeit nennen. … Niemand kann ernsthaft leugnen, oder zumindest nicht sehr lange, dass der Mensch alles tut, um diese Grau samkeit zu verbergen oder vor sich selbst zu verstecken, um auf der ganzen Welt dafür zu sorgen, dass diese Ge walt vergessen oder missverstanden wird.
Amerikanische Geschäftsleute haben im 20. Jahrhundert allein oder gemeinsam mit der Regierung und wissenschaftlichen Institutionen eine ganze Reihe landwirtschaftlicher Revolutionen geplant und durchgeführt. Sie setzten den frühmodernen philosophischen Ansatz (der vor allem von Descartes verfochten wurde), Tiere als Maschinen anzusehen, in die Tat um – mit Tausenden, dann Millionen, inzwischen Milliarden Tieren.
Seit den 1960er-Jahren wurde die Legehenne in den Industriezeitschriften als »nur eine hocheffiziente Umwandlungsmaschine« bezeichnet (Farmer and Stockbreeder) ,das Schwein sollte »wie eine Maschine in einer Fabrik« sein (Hog Farm Management) und das 21. Jahrhundert ein neues »Computer›Kochbuch‹ mit Rezepten für maßgefertigte Tiere« bringen (Ag ricultural Research) .
Mit solch wissenschaftlicher Hexerei
Weitere Kostenlose Bücher