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Tiere essen

Tiere essen

Titel: Tiere essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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pro blemlos mit 30 Zentimetern Schnee zurecht. Und alle meine Puten behalten ihre Krallen; sie behalten ihre Flügel und ihre Schnäbel – da wird nichts abgeschnitten, nichts kaputt gemacht. Wir impfen nicht und füttern keine Antibiotika. Brauchen wir nicht. Unsere Vögel sind den ganzen Tag in Bewegung. Und weil nicht mit ih ren Genen herumgespielt wurde, haben sie von Natur aus ein star kes Immunsystem. Wir verlieren keine Vögel. Wenn Sie irgendwo auf der Welt eine gesündere Schar finden, glaube ich das erst, wenn ich es selbst sehe. Was die Industrie kapiert hat – und das war die eigentliche Revolution –, war, dass man keine gesunden Tiere braucht, um Profit zu machen. Kranke Tiere sind profitabler. Die Tiere zahlen den Preis dafür, dass wir jederzeit für sehr wenig Geld alles zur Verfügung haben.
    Früher haben wir keine Biosicherheit gebraucht. Sehen Sie sich meine Farm an. Wer möchte, kann vorbeikommen, und ich würde meine Tiere jederzeit auf Ausstellungen und Messen mitnehmen. Ich sage den Leuten immer, sie sollen mal eine industrielle Puten farm besuchen. Da braucht man nicht mal ins Gebäude zu gehen.
    Man riecht es schon, bevor man da ist. Aber das wollen die Leute nicht hören. Sie wollen nicht hören, dass diese großen Putenfarmen Verbrennungsöfen haben, in denen die ganzen Puten verbrannt werden, die täglich sterben. Sie wollen nicht hören, dass die Indus trie beim Transport der Puten zum Schlachthof mit zehn bis 15 Pro zent Verlust rechnet – Tiere, die bei der Ankunft schon tot sind. Wis sen Sie, wie viele von meinen Tieren dieses Jahr zu Thanksgiving tot beim Schlachthof angekommen sind? Keins. Aber das sind nur Zahlen, nichts, worüber sich irgendwer aufregen würde. Es geht nur umsGeld. Dann erstickenhalt15Prozent derPuten. Abinden Brennofen damit.
    Warum sterben ganze Scharen von Industrievögeln auf einmal? Und was ist mit den Menschen, die diese Vögel essen? Neulich hat mir der Kinderarzt hier im Ort erzählt, dass er neuerdings alle möglichen Krankheiten zu sehen bekommt, die er noch nie gesehen hat. Nicht nur Diabetes bei Jugendlichen, sondern auch Entzün dungs- und Autoimmunerkrankungen, von denen viele Ärzte nicht mal den Namen kennen. Und Mädchen kommen viel früher in die Pubertät, die Kinder sind gegen ungefähr alles allergisch, und das Asthma bekommt er gar nicht mehr in den Griff. Jeder weiß, dass das an unserer Ernährung liegt. Wir manipulieren die Gene dieser Tiere, und dann füttern wir sie mit Wachstumshormonen und al len möglichen Medikamenten, über die wir in Wahrheit gar nicht genug wissen. Und dann essen wir sie. Die Kinder von heute sind die erste Generation, die mit dem Zeug aufwächst, wir benutzen die Kinder als wissenschaftliches Experiment. Ist das nicht seltsam, wie die Leute sich aufregen, wenn ein paar Basketballspieler Wachs tumshormone nehmen, wo wir mit unseren Nutztieren doch genau dasselbe machen und sie unseren Kindern zu essen geben?
    Die Menschen sind heute so weit weg von den Tieren. Als ich aufgewachsen bin, versorgte man zuerst die Tiere. Bestimmte Arbeiten wurden vor dem Frühstück erledigt. Man hat uns beigebracht, wenn wir uns nicht um die Tiere kümmern, kriegen wir nichts zu essen. Wir sind nie in Urlaub gefahren. Einer musste immer zu Hause sein. Ich weiß noch, dass wir manchmal Ausflüge gemacht haben, aber wir haben sie immer gehasst, denn wenn wir nicht vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause waren, dann war klar, dass wir draußen auf der Weide rumlaufen und versuchen mussten, die Kühe reinzuholen, um sie dann im Dunkeln zu melken. Das musste gemacht werden, egal, was geschah. Wer diese Verantwortung nicht übernehmen will, darf nicht Farmer werden. Denn so ist es nun mal, wenn man es richtig machen will. Und wenn man es nicht richtig machen kann, sollte man es gar nicht machen. Und noch etwas: Wenn der Verbraucher den Farmer nicht dafür bezahlen will, dass er es richtig macht, dann soll er kein Fleisch essen.
    Den Menschen sind diese Dinge wichtig. Und ich meine nicht mal reiche Leute aus der Stadt. Die meisten Kunden, die meine Pu ten kaufen, sind überhaupt nicht reich; sie kommen so gerade zu recht. Aber sie sind bereit, mehr zu bezahlen, weil sie es für richtig halten. Sie sind bereit, den echten Preis zu zahlen. Und wenn ei ner sagt, das sei einfach zu viel für einen Truthahn, dann sage ich: »Dann iss keinen.« Möglicherweise kann man es sich nicht leisten, sich um diese Dinge zu kümmern. Aber man kann es

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