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Tiere essen

Tiere essen

Titel: Tiere essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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mussten wir zurückgehen, um einen Zuchtstock zu finden, denn heutige Truthähne können kaum einen Schritt laufen, ganz zu schweigen von Paarung oder Brutpflege. So was kommt dabei heraus, wenn das System sich nur ganz am Rande für die Ernäh rung der Menschen und kein bisschen für die Tiere selbst interes siert. Massentierhaltung ist das allerletzte System, das einem ein fallen würde, wenn man menschliche Ernährung nachhaltig über einen längeren Zeitraum sichern wollte.
    Das Absurdeste ist ja, dass Massentierhaltung zwar keinerlei ge sellschaftlichen Nutzen hat, aber trotzdem von der Gesellschaft nicht bloß unterstützt wird, sondern sich sogar ihre Fehler von der Gesell schaft bezahlen lässt. All ihre Abfallentsorgungskosten werden auf die Umwelt und die Gemeinden abgeschoben, in deren Nähe sie produ zieren. Die Preise sind künstlich niedrig: Den Anteil, den man an der Supermarktkasse nicht sieht, zahlen wir alle, über Jahre hinweg.
    Wir müssen zurück zur extensiven Weidewirtschaft. Das ist keine romantische Idee aus dem Wolkenkuckucksheim – es gibt ein historisches Vorbild dafür. Bis zur Zunahme der Tierfabriken Mitte des
    20. Jahrhunderts basierte die amerikanische Viehzucht vor allem auf Gras und war viel weniger von Getreide, Chemie und Technik abhängig. Auf der Weide gehaltene Tiere leben besser, ihre Haltung ist umweltschonender. Auch aus harten wirtschaftlichen Erwägun gen heraus wird das Weidesystem immer sinnvoller: Die steigenden Maispreise werden unser Nahrungsverhalten ändern. Man wird Rinder wieder mehr grasen lassen, wie es die Natur vorgesehen hat. Und wenn die Agrarindustrie gezwungen wird, sich selbst des Pro blems konzentrierter Gülle anzunehmen, anstatt es an die Allge meinheit weiterzureichen, wird eine auf Weidewirtschaft fußende Tierhaltung ökonomisch noch attraktiver. Da liegt die Zukunft: in überzeugender nachhaltiger, humaner Landwirtschaft.

Sie weiß es besser
    Vielen Dank, dass ich diese Niederschrift von Nicolettes Gedan ken lesen durfte. Ich arbeite für die Tierschutzorganisation PETA , und sie ist Fleischproduzentin, aber ich betrachte sie dennoch als Mitstreiterin im Kampf gegen Massentierhaltung, und wir sind be freundet. Ich stimme ihr in allen Punkten zu, was die anständige Behandlung von Tieren und die künstlich niedrigen Preise für in dustriell erzeugtes Fleisch angeht. Und natürlich teile ich ihre An sicht, dass jeder Mensch, der Fleisch essen will, nur Fleisch von mit Gras gefütterten, auf der Weide gehaltenen Tieren essen sollte – vor allem Rindfleisch. Aber damit steht auch gleich die stets vermiedene Frage im Raum: Warum überhaupt Tiere essen?
    Betrachten wir zunächst die Umwelt und die Nahrungskrise: Es gibt aus moralischer Sicht keinen Unterschied zwischen dem Verzehr von Fleisch und der Vernichtung riesiger Lebensmittelmengen, denn die Tiere, die wir essen, können nur einen winzigen Bruch teil ihrer Nahrung in Fleischbrennwert umwandeln – man braucht zwischen sechs und 26 Futterkalorien, um eine Kalorie tierisches Fleisch zu produzieren. Der weitaus größte Teil aller Nahrungsmit tel, die in den USA angebaut werden, wird an Tiere verfüttert – mit dieser Nahrung könnten wir auch Menschen ernähren, oder das Land, auf dem sie angebaut wird, könnte in Naturschutzgebiete umgewandelt werden. Überall auf der Welt geschieht das Gleiche, und die Folgen sind verheerend.
    Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen hat es »ein Ver brechen gegen die Menschlichkeit« genannt, 100 Millionen Tonnen Mais und Getreide zum Treibstoff Ethanol umzuwandeln, während fast eine Milliarde Menschen hungert. Was für ein Verbrechen ist da erst die Nutztierhaltung, die jedes Jahr 756 Millionen Tonnen Mais und Getreide verbraucht, mehr als genug, die 1,4 Milliarden Men schen ausreichend zu ernähren, die in schlimmster Armut leben. Und in diesen 756 Millionen Tonnen sind noch nicht einmal die 220Millionen TonnenSojaenthalten–98Prozent des weltweiten Ertrages –, die ebenfalls in der Tiermast verfüttert werden. Selbst wenn man nur Fleisch von Niman Ranch isst, unterstützt man eine ungeheure Verschwendung und treibt die Lebensmittelpreise für die Ärmsten der Welt in die Höhe. Vor allem diese Ineffizienz – und erst in zweiter Linie die Umweltschäden oder der Tierschutz – hat mich dazu gebracht, kein Fleisch mehr zu essen.
    Manche Viehzüchter weisen gern darauf hin, dass in einigen Gebieten der Anbau pflanzlicher Nahrungsmittel unmöglich und

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