Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
Besitz und Wohlstand. Tiere zerbrechen sich nicht den Kopf, welche Herausforderungen der nächste Tag für sie bereithält. Auch wenn unsere Grundvoraussetzungen nicht eins zu eins vergleichbar sind, haben auch wir viele Möglichkeiten, es uns im Alltag leichter zu machen.
Und täglich grüßt das Murmeltier
Immer wieder fällt der weise Spruch, man solle leben, als wäre jeder Tag der letzte. Dann lebt man im Hier und Jetzt. Prüfen Sie einmal, inwieweit Ihnen das in den letzten vierundzwanzig Stunden gelungen ist. Nicht so ganz? Und ist es überhaupt möglich? Sinnvoll?
Das Eichhörnchen, ein bezauberndes Geschöpf der Tierwelt, müsste von Sorgenfalten gezeichnet sein. Getrieben von der Vorsorge für den bevorstehenden Winter, muss es den ganzen Sommer lang Nüsse und andere Nahrung verstecken und verbuddeln. Die Sorge, im Sommer genug zu verstecken, wird im Winter von der Sorge, die Verstecke in der verschneiten Landschaft wiederzufinden, abgelöst. Das emsige Eichhörnchen lebt definitiv nicht, als ob jeder Tag der letzte wäre. Aufgrund seiner Umgebung kann unser einheimisches Eichhörnchen
nicht unbeschwert mit der instinktiven Zukunftsplanung umgehen. Sorgenfalten hat es dennoch nicht.
Oder nehmen wir eine Ente, die nach wochenlangem Nestbau und der Zeit der Paarungsbereitschaft ihre Eier gelegt hat und das Nest bebrütet. Meinen Sie, sie freut sich darauf, dass die flaumigen Entenküken achtundzwanzig Tage später schlüpfen werden? Die Ente achtet instinktiv darauf, dass jedes Ei dieselbe Zuwendung bekommt, dass während eines jeden Tages der Brutzeit die optimalen Bedingungen des Geleges gewährleistet sind, aber sie hat keinen Plan, wie lange es noch dauern wird, bis es endlich so weit ist. Sie lebt im Moment.
Genau das lohnt sich auch für uns. Die Balance zu finden zwischen sinnvoller Vorsorge und Leben in der Gegenwart. Auch den Tieren gelingt es nicht immer – einfach weil wir ihre Welt so stark verändern, dass die Instinkte oft gar nicht nachkommen. Plötzlich findet sich dann inmitten der Großstadt, an einer stark befahrenen Straßenkreuzung, eine Entenfamilie wieder. Jahr für Jahr schon ziehe ich kleine Wildenten groß, die von einer Entenmutter auf einem Balkon im fünfzehnten Stock inmitten Münchens ausgebrütet werden. Durch das Leben im Hier und Jetzt realisiert die Entenmama erst, nachdem die kleinen Entchen sich mühsam aus dem Ei gepellt haben, dass der Weg ans Wasser versperrt ist.
Eine solche Leichtigkeit macht sich daher nicht immer bezahlt. Doch wie oft schauen wir auf die Zukunft wie die Maus auf die Schlange? Was könnte nicht alles Schlimmes passieren? Natürlich könnte es das. Es muss aber nicht, und wenn, können wir zum gegebenen Zeitpunkt angemessen reagieren. Ein simples Beispiel ist das folgende: Die ganze Nation sitzt gebannt vor dem Fernsehschirm, wenn die Wettervorhersage kommt. Nennen Sie mir einen plausiblen Grund, weshalb Sie das unbedingt einen, zwei oder mehrere Tage im Voraus erfahren wollen! Vielleicht wollen Sie zum Skifahren, zum Baden oder einen
Ausflug machen? Und warum wollen Sie es aus den Nachrichten erfahren? Sie könnten ja auch einfach aus dem Fenster schauen und mit einem Blick die Wetterlage erfassen. So hat es jahrtausendelang funktioniert, auch zu Zeiten, in denen die Menschen viel stärker von den Einflüssen der Natur abhängig waren als wir heute.
Vielleicht haben wir nicht mehr das Vertrauen in uns selbst, spontan richtig zu entscheiden, und versuchen aus diesem Grund, alles lange im Voraus zu erfahren. Dann, so meinen wir, hätten wir genügend Zeit, nötige Vorkehrungen zu treffen. Ich bin mir sicher, dass uns hier ein großes Stück Gelassenheit helfen würde. Von den Tieren inspiriert und ermutigt habe ich mir die weise Fähigkeit, im Hier und Jetzt zu leben, immer mehr zu Eigen gemacht. Natürlich übe auch ich, und es gelingt mal hervorragend und mal weniger gut. Doch in den meisten Fragen des Lebens verlasse ich mich heute auf meine instinktive Reaktion. Ein Riesengewinn, denn vieles erkenne ich mittlerweile längst, bevor ich es rational erfasst habe. So vergeude ich meine Zeit nicht damit, über eine Situation nachzudenken und mir dabei den Fokus verwässern zu lassen.
Auch wenn wir in unserem Alltag natürlich andere Anforderungen zu erfüllen haben als eine Ente oder ein Eichhörnchen – wir müssen nicht ständig das Für und Wider abwägen, um eine Entscheidung zu treffen. Je mehr Erfahrung wir damit gesammelt haben,
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