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Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Titel: Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Brunetti. Jetzt war er an der Reihe, den anderen zu provozieren: Er wollte, dass Bocchese ihm zustimmte, bevor er darauf hinwies, dass kaum jemand im eigenen Haus die Hausschlüssel in der Tasche trug.
    »Schon«, sagte Bocchese, mit den Gedanken woanders.
    »Aber?«
    »Rizzardi schreibt, der Tote habe Madelung. Er hat mir die Fotos noch nicht geschickt, aber ich weiß, wie man dann aussieht. Möglicherweise hat ihn jemand in der Stadt gesehen. Oder er war zur Behandlung im Krankenhaus.«
    »Kann sein«, stimmte Brunetti zu, bezweifelte aber, dass jemand das zerschlagene Gesicht auf dem Foto identifizieren könnte. Da Bocchese so kooperativ war, beschloss er, nicht noch einmal auf die Schlüssel einzugehen.
    »Sonst noch was?«, fragte Brunetti.
    »Nein. Wenn ich was finde oder mir noch was einfällt, sage ich Ihnen Bescheid, in Ordnung?«
    »Danke«, sagte Brunetti. Bocchese hatte die Krankheit des Mannes erwähnt und schien sicher, dass jeder, der ihn einmal gesehen hatte, sich an ihn erinnern würde. Er fragte sich, ob das auch auf Schuhverkäufer zutraf. »Schicken Sie mir eine Mail, mit allen Angaben zu dem Schuh?«

5

    Als Brunetti in sein Büro zurückkam, saß Signorina Elettra nach wie vor an seinem Computer. Sie blickte lächelnd auf. »Ich bin fast fertig, Commissario. Wo ich schon mal hier war, wollte ich gleich noch ein paar Sachen für Sie downloaden, dann kann’s losgehen.«
    »Darf ich fragen, wie es Ihnen gelungen ist, dieses Wunder der Technik herbeizuschaffen, Signorina?«, fragte er und beugte sich, beide Hände auf eine Stuhllehne gestützt, zu ihr nach vorn.
    Sie bedeutete ihm mit erhobenem Finger zu warten und wandte sich wieder den Tasten zu. Heute trug sie Grün, ein leichtes Wollkleid, das er noch nie an ihr gesehen hatte. Grün trug sie selten: vielleicht eine Hommage an den Frühling; auch im Kirchenritus galt Grün als Farbe der Hoffnung. Er unterdrückte jeden Kommentar, fasziniert von der alles andere ausschließenden Konzentration, mit der sie arbeitete. Er hätte ebenso gut ganz woanders sein können, so wenig Beachtung schenkte sie ihm. Was fesselte sie so? Das Programm? Oder die Arbeit mit dem neuen Computer? Und wie war es möglich, dass etwas vom lebendigen Chaos des Lebens so Grundverschiedenes eine Frau wie sie derart in Bann schlagen konnte? Brunetti fand an Computern nichts Reizvolles: Ja, er benutzte sie und war froh, dass er damit umgehen konnte, aber viel lieber schickte er seine grün gewandete Jägerin auf die Pirsch nach einem Wild, das sich seinen begrenzten Fähigkeiten allzu oft entzog. Er brachte einfach keine Begeisterung dafür auf, hatte nicht das Bedürfnis, stundenlang vor dem Bildschirm zu sitzen und herauszufinden, wozu der Computer alles dienen könnte.
    Brunetti war nicht weltfremd, er wusste durchaus, wie töricht sein Vorurteil war und dass er sich damit bei seiner Arbeit manchmal selbst ein Bein stellte. Wenn er zum Beispiel an die Ermittlungen im Zuge der Protestaktionen gegen die europäischen Milchquoten dachte, als im vorigen Herbst die Autostrada bei Mestre zwei Tage lang vollständig blockiert worden war. Da Signorina Elettra zu der Zeit Urlaub hatte, musste er zwei Tage auf die Information warten, dass jene Autos, die wegen der Barrikaden der Bauern festsaßen, von Kleinkriminellen aus Vicenza in Brand gesteckt wurden, Straßenstreunern, die wahrscheinlich noch nie im Leben eine Kuh gesehen hatten. Und erst nach Signorina Elettras Rückkehr erfuhr er, dass jene Gauner mit dem Chef des örtlichen Bauernverbandes verwandt waren, der seinerseits den Protest organisiert hatte.
    Seine Gedanken schweiften zu diesen Demonstrationen zurück, die er auf Geheiß seines Vorgesetzten, Vice-Questore Patta, observiert hatte – für den Fall, dass die Gewalt sich bis zur Brücke nach Venedig und damit in ihr Zuständigkeitsgebiet ausbreitete. Er erinnerte sich an Plexiglasschilde, Gesichtsmasken und glänzend schwarze Stiefel der behelmten Carabinieri, die ihm wie riesige Käfer vorgekommen waren. Er sah es noch vor sich, wie sie Schild an Schild voranmarschierten und die protestierenden Bauern erbarmungslos zurückdrängten.
    Und mit einem Mal tauchte der Mann mit dem eigenartigen Hals in Brunettis Gedächtnis auf. Da hatte er ihn gesehen, auf der anderen Seite der blockierten Straße, in einer Gruppe von Leuten, die um ihre Autos herumstanden und die Bauern und Polizisten jenseits der Straßensperre beobachteten. Brunetti erinnerte sich an den Stiernacken,

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