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Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Titel: Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Carabinieri in Mestre anrufen. Lovello war der Einsatzleiter. Fragen Sie, ob es Fotos oder vielleicht ein Video gibt.« Es waren gegen Polizei und Carabinieri so viele Anzeigen wegen übermäßigem Gewalteinsatz erstattet worden, dass manche Einsatzleiter inzwischen darauf bestanden, potentiell gewalttätige Aktionen zu filmen.
    »Und fragen Sie bei Televeneto nach«, sagte er. »Die waren mit einem Kamerateam vor Ort, also müssten sie was haben: Versuchen Sie eine Kopie zu bekommen.«
    »War die RAI auch da?«
    »Das weiß ich nicht mehr. Aber die Anwohner werden sich erinnern, wenn die vom Staatsfernsehen da gewesen sind. Falls ja, versuchen Sie die dazu zu bewegen, uns ebenfalls Kopien von allem zu schicken, was sie gedreht haben.«
    »Wie sieht dieser Mann denn aus?«
    »Groß, auffällig massige Schultern und Hals. Bart: hatte er damals auch schon. Dunkles Haar, helle Augen.«
    Sie nickte. »Danke, Signore. Ich leite das weiter, dann können sie die Aufnahmen schon mal durchsehen und uns die relevanten schicken.«
    »Gut, gut«, sagte Brunetti.
    »Er wurde erstochen?«, fragte sie.
    »Ja. Aber Rizzardi sagt, er hatte Wasser in der Lunge. Man hat ihn in einem Kanal gefunden.«
    »Ist er ertrunken?«
    »Nein, er ist an den Messerstichen gestorben.«
    »Wie alt war er?«
    »In den Vierzigern.«
    »Armer Mann«, sagte sie, und Brunetti konnte ihr nur zustimmen.

6

    Damit blieb noch Patta. Wenn er zu seinem Vorgesetzten musste, überkam Brunetti oft ein Gefühl der Entkräftung; es ging ihm wie einem Schwimmer, der sich bei seinen Bahnen verzählt hat und plötzlich erkennt, dass er in immer kälter werdendem Wasser noch zehn weitere zu absolvieren hat. Und wie jeder Sportler kannte Brunetti die Erfolgsbilanz seines Gegners. Patta kam schnell vom Start und hatte, solange er damit durchkam, keine Skrupel, seinen Konkurrenten den Weg zu versperren; andererseits mangelte es ihm an Durchhaltevermögen, so dass er, wenn sich der Wettkampf länger hinzog, meist ins Hintertreffen geriet. Allerdings musste man, ganz gleich wie weit er bei einem Rennen zurückfiel, immer damit rechnen, dass er zur Siegerehrung wieder auftauchte und sich von nichts und niemand daran hindern ließ, aufs Treppchen zu steigen, sobald es zur Verteilung der Medaillen kam.
    Aber das zu wissen half auch nicht viel, wenn man es mit Vice-Questore Giuseppe Patta zu tun hatte, Siziliens bestem Beitrag zur Stärkung der Ordnungskräfte, einem Mann, der ungeachtet der Regel, wonach hohe Polizeibeamte alle paar Jahre versetzt wurden, schon seit mehr als einem Jahrzehnt seine Stellung in Venedig behauptete. Die Zähigkeit, mit der Patta an seinem Posten festhielt, hatte Brunetti verwundert, bis er erkannte, dass nur solche Polizisten systematisch versetzt wurden, die das Verbrechen wirksam bekämpften, insbesondere, wenn sie im Kampf gegen die Mafia erfolgreich waren. Wer es fertigbrachte, die ranghöchsten Mitglieder eines Mafiaklans in irgendeiner größeren Stadt festzunehmen, wurde unausweichlich in die tiefste Provinz versetzt, nach Molise oder Sardinien, wo ihm fortan nur Viehdiebstahl und Trunkenheitsdelikte blieben.
    Vielleicht war das die Erklärung für Pattas langes berufliches Überleben in Venedig, denn gegen den auch hier unübersehbar zunehmenden Einfluss der Mafia unternahm er so gut wie nichts. Bürgermeister kamen und gingen, und ein jeder versprach, den Übeln abzuhelfen, die seine Vorgänger ignoriert oder gefördert hatten. Die Stadt versank im Schmutz, Hotels entstanden an jeder Ecke, die Mieten stiegen, jedes freie Stückchen Bürgersteig wurde an Leute vermietet, die an ihrem Stand irgendwelchen nutzlosen Schrott verkaufen wollten, aber das änderte nichts daran, dass die Flut der Versprechungen, all diese Übel zu beseitigen, von Tag zu Tag immer höher anschwoll. In sicherer Entfernung weit hinter den sich überschlagenden Wogen, residierte in aller Ruhe Vice-Questore Giuseppe Patta, Freund aller Politiker, die ihm je über den Weg gelaufen waren, und Inbegriff der städtischen Ordnungsmacht.
    Doch immerhin, dachte Brunetti, tolerant und maßvoll, wie er war, und mittlerweile eher die Tugenden als die Fehler seines Vorgesetzten zählend, immerhin stand Patta, soweit man das beurteilen konnte, nicht im Sold irgendeiner kriminellen Vereinigung, hatte niemals die Misshandlung eines Gefangenen angeordnet, ja schenkte gelegentlich sogar unumstößlichen Beweisen für die Schuld eines wohlhabenden Verdächtigen Glauben. Als Richter

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