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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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Seiten in seinem Notizbuch, aber bald glitt die Feder fließend über das Papier.
    »Sieh dir das an!«, rief Jimmy. »Was hast du geschrieben?«
    Morgado zeigte ihm das Notizbuch.
    »1956?«
    »Ja. Bring mich zur öffentlichen Bibliothek. Ich muss die Zeitungen aus diesem Jahr durchschauen.«
    »Warum genau dieses Jahr?«
    Morgado trank seinen Kaffee aus, bevor er dem von seinem Unfall genesenden Biker antwortete. »Das hat mir das Skelett gesagt.«
    Jimmy sah ihn argwöhnisch an. »Komm, Morgado, sei ehrlich, was für einen Mist hat Elenita dir eingeflößt?«
     
14
     
    In der öffentlichen Bibliothek stammte die älteste Zeitung aus dem Jahr 1964. Aber Karla, ein Mädchen, das die Kulturwochenzeitung Bitácora verteilte, machte ihnen Hoffnung. »Ältere Zeitungen? Hier nicht. Warum versuchen Sie es nicht im Zeitungsarchiv von La Voz de la Frontera? «
    »Das kommt auf dasselbe raus«, sagte Jimmy. » La Voz fängt 1964 an. Nicht früher.«
    Das Mädchen blieb hartnäckig. »Das weiß ich, aber sie haben dort Zeitungen ab 1947. Ich habe einen Abschluss in Kommunikationswissenschaften und habe einmal in diesem Archiv geforscht. Ich habe dort Zeitungen ab 1947 gesehen.«
    »Bist du sicher?«
    Karla verdrehte genervt die Augen. »Ja. Bin ich. Geht hin und schaut selbst!«
    Das taten sie. Karla hatte Recht: Da waren Zeitungen wie ABC, Monitor, Nuevo Mundo und Centinela. Die alten Bastionen des Pressewesens.
    »Aber von 1956 haben wir nur ABC und Nuevo Mundo « , informierte sie der Angestellte des Archivs.
    »Sie wissen nicht, ob es offizielle Zeitungen waren?«, fragte der Rechtsanwalt.
    Der in die Jahre gekommene Mann sah ihn verächtlich an. »Gibt es auch andere?«
    Sie fragten nicht weiter nach. Vier Stunden später sahen sie aus wie zwei Eremiten in der Wüste. Die Zeitungen waren im besten Fall halb zerfallen und staubig, im schlimmsten grün und voller Schimmel. 1956 schien ein einzigartiges Jahr gewesen zu sein. Zumindest, was Gewalttaten anging.
    »Es war hart«, erklärte Jimmy.
    »Und blutrünstig: gleich zwei tote Journalisten. Einer in Tijuana, einer in Mexicali«, sagte Morgado. »Und das mitten am helllichten Tag. Wie eine öffentliche Warnung für die übrigen Reporter. Ich würde sagen, für die ganze übrige Gesellschaft.«
    »Und vor einer Menge Zeugen in Mexicali. Ein öffentlicher Mord. Nein, eine Hinrichtung.«
    »Und alle haben die chemitas als Täter identifiziert.«
    »Aber keiner kam ins Gefängnis, weil der Gouverneur ihre Flucht gedeckt hat«, schloss Jimmy.
    Morgado las einen Leitartikel: »Bis wann müssen wir noch diese beißwütigen Hunde ertragen, Herr Gouverneur, diese wandelnden Bedrohungen, die sich hinter einer Dienstmarke verschanzen, um ihre Untaten zu begehen?«
    »Genau wie heute«, befand Jimmy. »Nichts hat sich geändert.«
    »Die öffentliche Verunsicherung auf dem Höhepunkt.«
    »Und die Verschwundenen? Ich habe nichts gefunden. Du?« Der Rechtsanwalt holte die ausgedruckten Seiten aus dem Hotelcomputer hervor und zeigte sie ihm. »Von den binationalen Konflikten und den Verschwundenen des Partido Comunista Mexicano gibt es nur drei Fälle, die in den Listen des Außenministeriums und des Colegio de México auftauchen. Die Namen lauten: Jesús Díaz, Adalberto Navejas und Edmundo Burruel. Keiner aus dem Jahr 1956.«
    Jimmy las die Listen sorgfaltig durch. »Ich blicke da nicht recht durch. Erklär mir die binationalen Fälle. Die drei, die du erwähnt hast.«
    Morgado zeigte auf den Namen Jesús Díaz. » Líder ejidatário. Er war Generalsekretär einer unabhängigen Landwirtschaftsgewerkschaft. Erst unterstützte er den Gouverneur, aber 1958 rebellierte er und blockierte für vierundzwanzig Stunden die Grenze. Das war sein Ende. Die Presse bezeichnete ihn als verrückt. Irgendjemand, ich glaube, es war Maldonado, organisierte einen Putsch in der Gewerkschaft von Díaz, und er wurde aus der Organisation ausgeschlossen, die er selbst gegründet hatte. Sie haben ihn auf seiner kleinen Farm bei Compuertas hochgenommen. Man hat nie mehr etwas von ihm gehört. Die Kommunistische Partei glaubt, man habe ihn den Gringos übergeben. Seine Angehörigen waren mehrfach beim Gouverneur. Weißt du, was er ihnen gesagt hat? Laut den Ermittlungen der Polizei hat er sich mit einem Revuestar aus dem Staub gemacht. Er werde nicht nach Kerlen wie Jesús suchen, er habe Wichtigeres zu tun.«
    »So ein Fuchs«, sagte Jimmy. »Sogar die Angehörigen hat er verarscht. Und Adalberto

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