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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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hinein.
     
12
     
    Morgado betrachtete die Dünen am Horizont. Eine Staubwolke kam ihm entgegen.
    »Was hast du für die Pause dabei?«, fragte eine Stimme, zwischen tiefer und hoher Tonlage schwankend.
    Morgado stand vor drei Jungs, die im selben Alter waren wie er, nur größer.
    »Ein Schinkensandwich.«
    »Gib es uns«, sagte der Älteste.
    Morgado gab ihnen seine Brotbox. Der Älteste öffnete sie sofort.
    Die drei schrien, als sie den Inhalt sahen, und rannten auf die Staubwolke zu, die wie eine dichte Sandwand auf sie zukam. Der kleine Morgado hob seine Brotbox auf. In ihr befand sich der unbekannte Schädel, der ihn mit seinem fast intakten Gebiss angrinste.
    »Wer bist du?«, fragte Morgado.
    »Wer wohl?«, erwiderte der Schädel.
    »Ein Name. Ein Datum.«
    »In welchem Jahr bist du geboren, Morgado?«
    »1956.«
    »Da hast du ein Datum. Das Jahr, in dem die beiden Journalisten ermordet wurden. Das Jahr der entfesselten chemitas. «
    »Wer bist du?«, fragte der kleine Morgado wieder.
    »Ein Rätsel.«
    »Verrat es mir!«
    »Ich bin der Tod, der dich angrinst.«
    In dem Moment erreichte ihn die Staubwolke und verschluckte ihn in ihrem Schlund aus Geheul und Dröhnen.
     
13
     
    Es klopfte an die Tür. Morgado setzte sich im Bett auf und schaute auf die Uhr: Es war sieben Uhr morgens. Instinktiv tastete er nach Elenas nacktem Körper, aber er musste feststellen, dass sie schon gegangen war, ohne sich zu verabschieden.
    »Wer ist da?«
    »Rezeption. Ein Päckchen für Sie.«
    »Ich komme.«
    Es war ein dickes Buch. Er legte es auf das Bett und ging unter die Dusche. Als er aus dem Bad kam, sah er, dass die Karte von Rubén García Benavides kam. Das Buch enthielt eine Sammlung seiner Bilder ab 1954. Es trug den Titel Landschaften und Trugbilder.
    Als Jimmy wenig später kam, saß er mit der Zeitung in der Cafeteria des Hotels. »Möchtest du etwas frühstücken?«
    »Nein. Nur Kaffee.«
    Jimmy hielt es nicht mehr aus und überfiel ihn gleich mit der Frage: »Und, wie war Elenita?«
    Morgado legte die Zeitung zur Seite. »Und wie kommt es, dass ein berühmter Biker wie du mit dem Auto fährt wie ein Rentner?«
    Jimmy zog das T-Shirt hoch und zeigte ihm eine noch nicht verheilte Narbe auf der Brust. »Deshalb. Ein Sturz bei fünfzig Sachen. Vier gebrochene Rippen, das Brustbein hätte beinahe einen Lungenflügel zum Kollabieren gebracht. Beantwortet das deine Frage?«
    »Tut es. Mit Elenita war es ganz schön.«
    »Ganz schön?!«, explodierte Jimmy, der sich das T-Shirt angesichts der vorwurfsvollen Blicke der anderen Gäste wieder heruntergezogen hatte. »Ganz schön? Ist das alles?«
    »Es ging ganz schön ab. Können wir jetzt über etwas anderes sprechen?«
    »Können wir. Es ist bestätigt: Kaliber 45. Ausschließlich von der Polizei verwendet. Pistolen mit Speziallauf. Das kaputte Lineal hingegen ist jüngeren Datums. Vielleicht hat es jemand aus anderen Gründen dort deponiert. Vielleicht ein Fotograf von der Sorte, wie Elenita ihn in La Salada fertig gemacht hat.«
    Morgado holte den Füller aus seiner Tasche. »Glaubst du, er hat dem Verstorbenen gehört?«
    »Es könnte auch eine Verstorbene sein.«
    »Glaube ich nicht. Irgendetwas sagt mir, dass es ein Mann ist. Der Füller bestätigt das. Damals gab es Füller für Frauen und für Männer. Da war von unisex noch keine Rede.«
    Morgado nahm den Füller zwischen die Handflächen und drehte ihn über eine Minute darin.
    »Willst du, dass er wieder schreibt? Du bist verrückt. Dieser Füller hat ein halbes Jahrhundert unter der Erde gelegen.«
    »Ich habe ihn schon sauber gemacht. Es ist ein Montblanc. Er wird schreiben. Der Rolls-Royce unter den Tintenfüllern. Eine Anschaffung fürs Leben. Das sollte uns etwas über seinen Besitzer verraten. Weder die Patronenhülsen noch das Metalllineal gehörten dem Verstorbenen. Der Füller schon. Und das heißt, er war gut betucht. Ein Montblanc ist teuer, Luxus.«
    »Wir sollten noch weitergraben«, schlug Jimmy vor.
    »Sie haben ihn nackt getötet. Er hat höchstens eine Unterhose getragen.«
    »Das ist seltsam. Die politischen Gefangenen haben sie nicht ausgezogen. Sie haben sie in ihren Klamotten getötet. Mit so was haben sie sich nicht aufgehalten.«
    »Der Ermordete war studiert. Ein Akademiker. Rechtsanwalt, Arzt oder Ingenieur. Mehr Unternehmer als Politiker.«
    »Möglich«, billigte ihm der Anführer der Cuervos zu.
    Morgado versuchte, mit dem Füller zu schreiben. Anfangs zerkratzte er nur die

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