Tim Burton: Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp (German Edition)
ein bisschen über den Dingen geschwebt bin. Es waren nicht gerade die schönsten Jahre meines Lebens. Beim Abschlussball habe ich keine Tränen vergossen, und ein Verfechter der Theorie, dass es nach der Schulzeit nur noch bergab geht, war ich auch nie. Von meinen Freunden aus dieser Zeit ist mir niemand erhalten geblieben. Aus irgendeinem Grund wollten die Leute mit mir lieber nichts zu tun haben. Es war, als würde ich unbewusst ein Signal aussenden, dass mich alle in Ruhe lassen sollten. Für eine Weile sah ich aus wie einer der Jungs aus der Fernsehserie Drei Mädchen und drei Jungen , inklusive Schlaghosen und braunem Freizeitanzug. Später habe ich dann viel Punkmusik gehört, was mir in emotionaler Hinsicht wirklich gutgetan hat. Viele Freunde hatte ich nie, aber es gab ja genügend Filme, die ich mir anschauen konnte.
Ursprünglich besaß Burbank fünf oder sechs Kinos, die jedoch eins nach dem anderen eingingen. Eine Zeit lang gab es dann mal gar keins mehr. Früher haben sie dort diese Dreier-Features gezeigt, zum Beispiel Der Schrei des Todes , gefolgt von Dr. Jekyll and Sister Hyde und Frankenstein und die Monster aus dem All . Das war das Goldene Zeitalter des Kinos, diese großartigen Dreier-Features. Meistens ging ich allein ins Kino oder zusammen mit ein paar Kids aus der Nachbarschaft.
Ray Harryhausens Skelette in Jason und die Argonauten
Neulich bin ich mal wieder nach Santa Catalina gefahren, wo ich seit meiner Kindheit nicht mehr gewesen bin. Es gibt da ein wirklich cooles Kino, The Avalon. Die Wände sind mit fantastischen Art-déco-Ornamenten geschmückt. Ich weiß noch, dass ich dort Jason und die Argonauten gesehen habe. In meiner Erinnerung sind Kino und Film miteinander verschmolzen – die Inneneinrichtung des Gebäudes und die Mythologie, die der Film zum Leben erweckt. Es war unglaublich. Das ist einer der ersten Filme, an die ich mich erinnern kann. Ich war damals noch nicht einmal fünfzehn.
Eine Zeit lang wurden außerdem am Samstagnachmittag Horrorfilme im Fernsehen gezeigt, etwa Der Kopf, der nicht sterben durfte . Da wird einem Mann der Arm abgerissen, und er beschmiert mit dem blutigen Armstumpf eine Wand, bevor er schließlich stirbt, während ein Kopf auf einem Teller sich darüber kaputtlacht. So etwas würde heute nicht mehr im Fernsehen laufen.
Monster und Monsterfilme habe ich immer geliebt, ohne mich je übermäßig davor zu gruseln. Das sagen jedenfalls meine Eltern. Ich konnte davon gar nicht genug bekommen. Von diesen Filmen ist bei mir natürlich einiges hängen geblieben. King Kong , Frankenstein , Godzilla und Der Schrecken vom Amazonas . Die meisten ähneln sich schon sehr stark, die Schauspieler tragen nur andere Latexanzüge und Masken. Aber der Punkt war: Man konnte sich mit ihnen identifizieren. Jedes Kind spricht auf ein anderes Märchenmotiv oder eine andere Figur an, und ich hatte immer den Eindruck, dass die meisten Monster missverstanden wurden. Viele waren sensibler als die menschlichen Figuren in ihrem Umfeld.
Weil ich keine große Leseratte war, waren die Monsterfilme für mich wahrscheinlich eine Art Märchenersatz. Es gibt eine Reihe von Ähnlichkeiten: Märchen sind auch oft extrem brutal, symbolhaft und verstörend, vermutlich sogar noch mehr als Frankenstein und Konsorten. Märchen wie die der Brüder Grimm zum Beispiel erinnern eher an Filme wie Der Kopf, der nicht sterben durfte . Sie sind derb, gewalttätig und voller bizarrem Symbolismus. In meiner Jugend war meine Begeisterung für diese Filme vermutlich eine Reaktion auf das sehr puritanische, bürokratische Umfeld der Kleinfamilie in den 1950er-Jahren – ich weigerte mich, vorgefasste Meinungen zu akzeptieren und die Dinge so zu sehen, wie sie sich auf den ersten Blick darstellten. Deshalb hatte ich wohl immer schon einen Hang zu Märchen und Legenden, wegen ihres starken Symbolgehalts. Darin gibt es immer eine untergründige Bedeutung, und sie lassen sich auf verschiedene Weisen interpretieren. Diese Freiheit der Interpretation kam mir sehr entgegen. Wahrscheinlich waren es also nicht speziell die Märchen, die mir gefielen, sondern eher die Idee dahinter.
Eine Zeit lang wollte ich gern der Schauspieler sein, der Godzilla spielt. Ich mochte diese Filme und die Vorstellung, meiner Wut auf so brachiale Weise Luft zu machen. Weil ich ein eher stilles und unauffälliges Kind war, boten mir diese Filme wahrscheinlich eine Art Ausgleich. Ich glaube, dass ich der Gesellschaft damals schon
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