Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
reagieren.
Einen Augenblick lang sah er mich eindringlich an. »Zum Vergnügen«, sagte er. »Ich bin Biochemiker und auf Hämatologie spezialisiert. Es ist ein sehr, wie sagt man, anstrengender Job? Deshalb läßt man mich jedes Jahr mehrere Monate lang Urlaub machen und reisen.«
»Mehrere Monate! Wow! Den Job würde ich mir warmhalten«, sagte ich. »Ich habe noch nie gehört, daß eine Firma ihren Angestellten monatelang frei gibt. Arbeiten Sie, äh, gern mit Blut?« Die bloße Vorstellung kam mir abartig vor.
Anton lachte.
»Aber ja.«
Enthusiasmus sprach aus seiner Stimme.
»Blut ist etwas Erstaunliches. Es ist die Essenz dessen, was wir sind, und wir brauchen es zum Leben. Dennoch haben wir praktisch keine Ahnung, welche Auswirkungen es auf die Lebewesen hat, wenn wir es modifizieren. Im Blut liegt das ganze Leben.«
Er mußte bemerkt haben, wie ich unwillkürlich schauderte, denn er erkundigte sich, was ich arbeitete.
»Ich arbeite frei, und zu meinem Glück wird die Firma, mit der ich zur Zeit einen Vertrag habe, von einer traditionsbewußten italienischen Familie geleitet, die das Geschäft vom fünfzehnten Dezember bis zum fünfzehnten Januar mehr oder weniger schließt.«
Vom Nil wehte eine kühle Brise heran, während tief über dem Horizont die ersten Sterne zu glitzern begannen.
»Wie kommt es, daß Sie ohne Gruppe reisen? Amerikaner reisen stets in der Gruppe, aber Sie sind allein? Vor allem zu dieser Jahreszeit?«
»Meine Schwester ist hier«, warf ich ein.
»Ach ja, Ihre Schwester«, erwiderte er glatt.
»Ich, ich meine wir, wir stellen nicht gerade die amerikanische Durchschnittsfamilie dar. Meine Mom ist Engländerin und Archäologin, und mein Dad arbeitet für das Außenministerium. Er stammt ursprünglich aus Texas und war früher bei der Armee. Er war überall auf der Welt stationiert, deshalb bin ich schon als Kind allein meinen Eltern nachgereist. Die meiste Zeit haben wir in moslemischen Ländern gelebt; darum war Weihnachten für uns auch nie eine große Sache, es sei denn, wir sind nach Hause gefahren. Und dieses Jahr hat keiner von uns Lust gehabt, nach Hause zu fahren.«
Ich blickte über die schnell dunkler werdende Straße, von der gedämpfte Stimmen in den verschiedensten Sprachen zu uns heranwehten.
»Wahrscheinlich weil ich an so vielen verschiedenen Orten gewohnt habe, bleibe ich gerne länger an einem Fleck, wenn ich reise – um die Atmosphäre und Kultur besser aufnehmen zu können. Ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man fünf Länder in drei Tagen macht.«
Wir lachten miteinander.
»Und in Ägypten bin ich … weil meine Schwester eben ihren Doktor gemacht und mir vorgeschlagen hat, hier mit ihr zu feiern.«
»Wo sind Ihre Eltern jetzt?«
»Ich glaube in Brüssel. Man kommt kaum mit ihrem Terminplan mit.« Ich lachte. »Silvester treffen wir uns in Griechenland. Meine Eltern haben dort ein Haus, denn dort haben sie sich kennengelernt und geheiratet. Aber verpassen Sie nicht auch Weihnachten mit Ihrer Familie?« fragte ich.
Anton lächelte, ein wenig traurig, wie mir schien. »Meine Familie ist ein wenig zersplittert. Ich bin geschieden.«
»Haben Sie Kinder?« Es war mir peinlich, an ein so offenkundig schmerzhaftes Thema zu rühren.
»Nein. Meine Frau ist ebenfalls Wissenschaftlerin. Es ging gut mit uns beiden. Das habe ich jedenfalls gedacht, bis sie ihr, äh, Going-Out hatte und nicht länger verheiratet sein wollte.«
»Ihr Going-Out?« fragte ich verwirrt.
»Ja. Sie liebt eine andere Frau.«
»Ach, ich verstehe. Sie meinen, sie hatte ihr Coming-Out. Das muß sehr schwer für Sie gewesen sein.«
Was man so peinliche Gespräche nennt!
»Das Schwierigste daran war, daß ich nicht verstehen konnte, wieso sie nicht mehr verheiratet sein wollte«, antwortete er.
»Fast zwei Jahre haben wir damit verbracht, zur Eheberatung zu gehen oder romantische Urlaube zu machen; ich wollte mich nicht scheiden lassen.« Ich spürte, wie er mit den Achseln zuckte. »Letzten Endes waren meine Wünsche allerdings zweitrangig. Es gab halt Dinge an mir, mit denen sie nicht mehr leben konnte.« Er hielt inne, als hätte er zuviel offenbart, dann sprudelte es aus ihm heraus: »Trotz allem ist sie jetzt glücklich, und wir arbeiten nach wie vor gut zusammen.«
Wir bogen zum Tempel ein und stellten uns zu den Menschen, die an den Toren der Touristenpolizei vor dem KarnakTempel anstanden.
Ich war dankbar für den Themenwechsel.
Trotz oder vielleicht wegen des
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