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Timm Thalers Puppen

Timm Thalers Puppen

Titel: Timm Thalers Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Krüss
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Anlegestelle, von der ich gedankenverloren den Dampfer bestiegen hatte, verließ ich nun den Dampfer wieder und ließ mich auf jenem menschenwimmelnden Teil des Platzes nieder, der, den Portalen des Domes gegenüber, festlich von Bogengängen umschlossen wird. Hier stehen Tische, an denen man trinkt und sitzt und die Leute betrachtet.
    An solch einen Tisch setzte auch ich mich nieder und bestellte Wein.
    Doch bevor der Wein kam, setzte sich ein Fremder zu mir an den Tisch, ein kleiner, netter, runder Mann um die Fünfzig, der das Amerikanische der Südstaaten sprach und, wie mir schien, ein bißchen angetrunken war.
    »Wissen Sie, wer ich bin, Mister?« fragte er in strahlender Laune, als er sich zu mir setzte.
    Ich schüttelte den Kopf, worauf er, mit seinem molligen rechten Zeigefinger hin und her wackelnd, erklärte: »Ich bin der berühmte Hasenpfotenverkäufer. Sam Buckhard. Nie von mir gehört?«
    »Nein«, sagte ich und schüttelte wieder den Kopf. »Was macht man denn mit Hasenpfoten, Mister Buckhard?«
    »Mit Hasenpfoten«, rief er, und sein Zeigefinger wackelte wieder, »mit Hasenpfoten macht man unfruchtbare Frauen fruchtbar.« Er lachte. »Fruchtbar macht man sie damit, so wird’s behauptet.«
    »Aber sie glauben nicht an die Wirkung von Hasenpfoten?«
    fragte ich.
    »Mein lieber Mann und Mister«, antwortete er fast
    beleidigt. »Was denken Sie von mir? Ich und an Hasenpfoten glauben? Das wäre ja, als ob eine Hebamme an den
    Klapperstorch glauben würde, haha! Nein, Mister, ich bin nur ein Hasenpfotenverkäufer. Aber natürlich«, fügte er beflissen hinzu, »verkauf ich nur an Kunden, die an Hasenpfoten glauben, versteht sich. Ich bin ja ein reeller Händler.«
    »Leichtgläubigen Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen«, sagte ich, »ist ein uralter Brauch, auch hier in der Stadt Venedig. Aber reell ist das Geschäft natürlich nicht.«
    »Nicht wahr?« rief er mit plötzlich höherer Stimme, die auch nicht mehr betrunken klang. »Nicht wahr? Das ist nicht ernsthaft und reell? Das ist nur Spekulieren auf die Dummheit und im Vergleich dazu fast kriminell.«
    »Im Vergleich zu was?« Ich sah ihn überrascht an, und dabei verschwammen seine Züge mir seltsam vor den Augen.
    »Im Vergleich zu was, Sir, ist der Hasenpfoten-Handel fast kriminell?« fragte ich.
    Er antwortete, jetzt mit völlig veränderter Stimme: »Im Vergleich, mein Herr, zu dem Hotel mit Fischgeruch, in dem man ja tatsächlich gut bedient wird.«
    Ich zuckte, obwohl ich halbwegs schon geahnt hatte, mit wem ich es zu tun hatte, zusammen. Es roch plötzlich ganz leicht nach Schwefel, und ich sagte: »Sie meinen, Baron, das mit den Hasenpfoten wäre unmoralisch, das mit dem
    Fischgeruch wär’s aber nicht, nicht wahr?«
    »Vorzüglich formuliert«, sagte der hagere Mann am Tisch und blickte mich durch seine dunkle Brille an. »Und ist es nicht genau so, wie Sie sagen?«
    »Je nun, Baron, dem, der an Hasenpfoten glaubt, sind sie vielleicht von Nutzen, während ein Fischgeruch im Zimmer eigentlich niemandem nützt.«
    »Aber um Hasenpfoten zu verkaufen, muß man Hasen
    töten«, entgegnete er verärgert.
    »Und so ein Fischgeruch aus einer Fischbratküche«, sagte ich, »der kommt von toten Fischen her, Baron.«
    »Pah, Fische, die gibt’s tonnenweise!«
    Eilig-nervös, ohne logische Entgegnung auf meine
    Bemerkung, wieselte der Baron zwischen den Tischen davon.
    Ich sah ihm nach und überlegte, was ihn an dieser lächerlichen Sache mit dem Fischgeruch wohl so erregte; doch kam ich nicht dahinter. Ich dachte nur, als ich ihn wieseln sah: Der Kerl ist eher komisch als gefährlich, mehr ein halbseidener Gockel als ein Mann mit Kopf, mehr Lackaffe als seriöser Herr, eine Gummifigur, nach jeder Seite dehnbar, ein Schmierenkomödiant, ein Geck, ein Strizzi, ein
    Marionettenfratz, der keinen Schwerpunkt hat.
    Ich trank ein bißchen ratlos meinen Wein aus, den der Kellner längst gebracht hatte, zahlte meine Zeche im Vorübergehen und ging dann heim in mein Hotel, ein altes Haus mit Stuck und Plüsch und Säulen. Und ohne eine Spur von Fischgeruch.
    Hier aber fiel mir vor dem Einschlafen noch ein: »Wenn der Baron mich nicht erpressen kann – ob er sich dann womöglich an Krescho heranmacht?«
    Mein Schlaf war unruhig in dieser Nacht.

    DER EINUNDSECHZIGSTE TAG, AN DEM ICH MIT TIMM
    THALER DURCH VENEDIG GONDLE, ZUSAMMEN MIT
    MONSIEUR EL BAID EINE VERRÜCKTE MÜLLGESCHICHTE
    HÖRE, MIT TIMM BEIM GASTWIRT PANTALONE UNTER

MARIONETTENPUPPEN ESSE UND

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