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Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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plärrte plötzlich los:
    »Sie … sie … sie sind sicher alle ausgerückt!«
    »Quatsch«, sagte ich. »Heul nicht! Die Sache ist vielleicht ganz harmlos. Eltern rücken nicht aus. Das gibt’s nicht.«
    »Aber ich bin heute gar nicht geweckt worden! Unser Haus ist hundeleer«, sagte Horst Wittner, der Sohn des Postdirektors.
    Das war bedenklich. Wittners sind wohlhabende Leute. Sie haben eine Haushaltshilfe und eine Köchin. Irgend jemand hätte doch da sein müssen.
    »Warst du auch im Keller?«, fragte ein Junge.
    »In den Keller trau’ ich mich nicht«, erwiderte Horst.
    »Redet doch keinen Blödsinn!«, fuhr ich dazwischen. »Postdirektoren verstecken sich nicht im Keller!«
    Inzwischen waren immer mehr Kinder hinzugekommen. Sie berichteten alle dasselbe: Sie waren weder geweckt worden, noch hatten sie Frühstück bekommen. Die Eltern waren spurlos verschwunden. Ebenso alle Onkel und Tanten, alle Dienstmädchen und Angestellten, alle Gesellen und Lehrlinge; sogar die Großeltern hatten sich unsichtbar gemacht.
    »Das ist ja verrückt!«, sagte ich und legte die Stirn in Falten. »Wir müssen sie suchen!«
    »Wo?«, schrien die Kinder.
    »Das weiß ich nicht«, erwiderte ich.
    Ich ärgerte mich, dass Thomas nicht da war. Er hätte sicherlich einen vernünftigen Vorschlag gemacht.
    »Sind alle hier?«, fragte ich, weil mir im Augenblick nichts Besseres einfiel.
    »Nein«, rief Karl Benz, »Willi Hak nicht! Und Oskar und Hannes auch nicht!«
    »Es fehlen noch mehr«, brummte der dicke Paul.
    »Die schlafen sicher, weil sie nicht geweckt worden sind«, meinte Pussi Tucher.
    Die Kinder begannen alle auf einmal zu reden. Plötzlich kam mir ein schrecklicher Gedanke: Es war kein Wasser aus der Leitung gekommen. Ich sprang auf die niedrige Umfassungsmauer des Schulhofes und brüllte:
    »Haltet mal den Mund!«
    Es wurde ruhig. Auf dem kleinen Platz vor der Schule waren sehr viele Kinder. Sie blickten aufgeregt zu mir auf.
    »Wer von euch hat sich heute gewaschen?«, rief ich. Schweigen.
    »Ich hab’ es bestimmt nur vergessen!«, wisperte Pussi Tucher.
    »E-e-es war d-d-doch niemand da, d-d-der aufgepasst hat!«, stotterte Fritz Bollner.
    »Idioten!«, stieß ich hervor und sprang auf den Bürgersteig. Dann lief ich schnurstracks über die Gasse in das erstbeste Haus auf der andern Seite. Gleich links stand eine Wohnungstür offen. Ich rannte durch mehrere Zimmer, die völlig menschenleer waren, in die Küche. Karl Benz und der dicke Paul waren mir nachgelaufen. Die andern trauten sich nicht. Ich eilte zur Wasserleitung und drehte den Hahn auf. Es kam nicht ein Tropfen Wasser heraus.
    »Da haben wir’s!«, sagte ich erschrocken. »Sie haben das Wasserwerk abgestellt!«
    »Jetzt schlägt’s dreizehn!«, rief Karl Benz.
    »Ich werde verdursten«, sagte der dicke Paul.
    »Nur keine Aufregung, meine Herren!«, mahnte ich. »Wir wollen es vorläufig geheimhalten! Kein Wort zu den andern! Verstanden?!«
    Die beiden nickten. Sie mussten mir ihr Ehrenwort geben, nichts zu verraten. Wir gingen wieder hinaus. Vor dem Haus warteten die Kinder.
    »Was habt ihr denn gemacht, da drin?«, rief jemand.
    »Wir haben nachgesehen, ob es leer ist«, erwiderte ich. »Ist jemand da?«, fragten mehrere.
    »Keine Menschenseele«, sagte ich.
    »Was sollen wir bloß tun, wenn die Eltern nicht wiederkommen!«, jammerte Röschen Traub, ein sechsjähriges Mädchen. Sie wohnt in der Reckenwaldgasse und hat drei kleine Geschwister. Sie weinte.
    »Nur nicht den Kopf verlieren, Röschen!«, tröstete ich sie. Ich klopfte ihr auf die Schulter. Sie hörte auf zu weinen und blickte vertrauensvoll zu mir auf, als ob ich ihr bestimmt helfen würde. Leider hatte ich selber keine Ahnung, was wir machen sollten, wenn uns die Eltern wirklich verlassen hatten.
    Die andern Kinder waren ebenso ratlos wie ich. Sie standen herum und ließen die Köpfe hängen. Am liebsten hätten sie alle losgeheult. Sie schämten sich nur voreinander.
    Einige hatten ihre Ranzen auf den Boden geworfen und sich draufgesetzt. Sie starrten sorgenvoll vor sich hin. Die Häuser in der Pfarrgasse machten einen unheimlichen, leblosen Eindruck. Das geschlossene Schultor konnte uns heute gar nicht erfreuen.
    Den Piraten unter uns ging es auch nicht besser. Sie bereuten wohl jetzt ihre Schandtaten. Das rätselhafte Verschwinden der Eltern hing sicherlich mit ihren Streichen zusammen.
    Es war zu dumm. Wir konnten doch nicht ewig hier sitzen und warten, bis die Eltern aus ihrem Versteck

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