Tina und Tini 06 - Das Geheimnis des Gaertners
weißen Haare fielen ihm bis auf den gebeugten Rücken hinunter, glich er einem Weihnachtsmann, den man in der Rumpelkammer abgestellt und vergessen hatte.
Tini faßte sich als erste.
„Entschuldigen Sie bitte, wir wußten ja nicht, daß es Ihre Bücher waren. Ich dachte, einer von den anderen Schülern hätte sie vielleicht dort liegengelassen.“
„Schon gut, nun wißt ihr’s“, schnarrte der Alte. Er hatte eine Stimme wie eine verrostete Kindertrompete. „Ich arbeite hier — wissenschaftlich. Bin Privatgelehrter“, murmelte er und wich ins Dunkel zurück. „Möchte möglichst wenig gestört werden!“
„Oh, wir werden Sie gewiß nicht lange stören, Herr Professor“, sagte Tina übertrieben höflich. „Wir suchen nur heraus, was wir brauchen, und sind gleich wieder verschwunden.“
„Komischer Heiliger. Wir haben ihm doch gar nichts getan“, flüsterte Tini, als sich der alte Mann hinter ein Regal verkrochen hatte. „Schließlich ist die Schulbibliothek doch für die Schüler da. Er tut, als seien wir bei ihm eingebrochen.“
„Wahrscheinlich lebt er immer allein. Da werden die Menschen manchmal so komisch im Kopf“, gab Tina leise zurück.
„Schade, ich hätte ihn gern gefragt, über welches Thema er Material sucht und was das für ein Plan war...“
„Komm, laß uns schnell weitersuchen, was wir noch brauchen können, und dann hauen wir ab. Ich habe das Gefühl, der Alte beobachtet uns die ganze Zeit.“ Tina sah sich voller Unbehagen zwischen den Regalen um.
„Hier habe ich noch etwas.“ Tini zog einen Band heraus, auf dem eine weiße Segeljacht mit zwei lachenden jungen Mädchen darauf abgebildet war. „Segeltouren an nordischen Küsten“ war der Titel.
„Das ist genau das Richtige, um die Phantasie anzuregen. Komm, jetzt haben wir erst mal genug. Gehen wir“, drängte Tina.
„Angst?“
„Quatsch. Aber wenn im Hintergrund einer darauf lauert, daß man endlich wieder geht, macht das Stöbern gar keinen Spaß mehr. Wir können uns ja später noch einmal umsehen.“ Tina klemmte sich den Fotoband und das Buch mit der Reisebeschreibung unter den Arm und lief zur Tür. Betont geräuschvoll öffnete sie sie und schloß sie hinter Tini mit einem energischen Knall. „Soll er doch da drinnen mit seinen Büchern verrotten!“ knurrte sie.
„Nun ärgere dich doch nicht. Alte Leute sind eben manchmal ein bißchen wunderlich“, mahnte Tini, die immer die Besonnenere von beiden war.
„Ach was, ich ärgere mich ja gar nicht. Es ging mir nur gegen den Strich, daß er so tat, als hätten wir da oben nichts zu suchen.“
„Wer — wie — wovon redet ihr?“
Sie waren unten in der Halle angekommen und trafen auf Tobbi, der aus dem Gemeinschaftsraum seiner Klasse kam.
„Wir sind dem Weihnachtsmann begegnet“, sagte Tini lachend. „Und er wäre beinahe mit der Rute auf uns losgegangen, weil wir in sein heiliges Buch schauen wollten.“
Sie beschrieb Tobbi den eigenartigen alten Mann und ihr Erlebnis mit ihm.
„Ach ja, ich habe davon gehört. Irgend so ‘n Privatgelehrter, der Nachforschungen über die früheren Herren von Schloß Bergheim anstellt. Vielleicht ein armer Verwandter, der sich in seiner glorreichen Vergangenheit sonnen möchte...“
„Ein verkappter Ritter von Bergheim, meinst du? Ach, darum war er so hochnäsig...“
„Jetzt hört doch schon mit dem armen, alten Kerl da oben auf. So interessant ist das Thema doch wirklich nicht. Kommt lieber mit raus, es hat aufgehört zu regnen. Ich lechze nach frischer Luft!“ stöhnte Tini.
„Du hast recht. Ich hole unsere Mäntel.“
Tina rannte davon, und Tini ging in den Gemeinschaftsraum ihrer Klasse hinüber, um die Skandinavien-Bücher in ihrem Schrankfach zu verstauen.
Wenig später standen die drei Freunde am Rande des Hockeyfeldes und feuerten ihre Mannschaft an, die trotz des aufgeweichten Bodens ein hartes Training absolvierte. Denn am kommenden Samstag sollte das große Freundschaftsspiel gegen die Hockeymannschaft des Realgymnasiums Kirchberg stattfinden. Da hieß es, die vom vielen Drinnenhocken lahm gewordenen Beine wieder in Bewegung zu bringen.
„Glaubst du, daß sie’s am Samstag schaffen?“ fragte Tina ihren Bruder. „Los, Kai, du Flasche, renn doch!“ schrie sie im gleichen Atemzug.
„Bravo, Uli! Einen Schlag hat der Junge — enorm!“ lobte Tobbi. „Jeder Schuß ein Treffer. Der könnte auf dreißig Meter einer Fliege das rechte Auge ausschießen.“
„Was du für Ideen hast! Aber
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