Tine
desolaten Eindruck. Das ist nicht gerade sexy.«
»Jette, bitte! Außerdem musst du Ansgar nicht sexy finden. Es reicht völlig aus, dass er mir gefällt. Und eins lass dir gesagt sein, desolat ist bei ihm rein gar nichts.«
»Gibt es etwas Schlimmeres als Frischverliebte? Sag du es mir, Gernot. Sollen wir Taktgefühl zeigen und die beiden jetzt allein lassen? Was hältst du davon, noch irgendwo einen Drink zusammen zu nehmen?«
Wow, Jette. Du gehst aber ran. Es dauert keine fünf Minuten und die beiden sind verschwunden. Vermutlich haben sie noch nicht einmal ihre Wagen erreicht, da bringe ich den Makkaroni Auflauf in hohem Bogen wieder heraus. Mir ist spei übel und ich habe den fetten Käse als Übeltäter in Verdacht.
»Noch Wein?«
»Lieber einen Tee. Schau mal in den Karton mit der Aufschrift Küche II.«
In drei Tagen ist Heiligabend. Fast allein habe ich das Loft eingerichtet. Immer wieder musste ich Pausen einlegen, weil mir unbeschreiblich übel wurde. Ich spucke mir seit einer Woche die Seele aus dem Leib. Hoffentlich nicht! Ich werde doch wohl nicht wirklich...?
Mein Frauenarzt gratuliert mir und rechnet auf meinen Wunsch hin den genauen Zeitpunkt der Empfängnis aus. Aha. In unserer ersten Urlaubswoche ist es also schon passiert. Welcher Tag genau, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Da kommen schließlich alle Tage in Frage.
»Nein, Frau Haller, für einen Abbruch ist es zu spät. Sie sollten sich freuen. Schauen Sie mal in mein Wartezimmer. Die meisten Frauen, die dort in Ihrem Alter sind, kommen zu mir, weil sie einen unerfüllten Kinderwunsch haben. Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aber Sie sind gesund und mit 38 das erste Mal Mutter zu werden, ist doch ein Geschenk.«
Ja, das ist ein Geschenk. Eines über das sich der Erzeuger nicht freuen wird. Eines, das er zum Anlass nehmen wird, sich von mir zu trennen. Er wird es für einen üblen Trick halten.
Ich kann jetzt nicht nach Hause fahren. Es ist mir unmöglich, Ansgar in die Augen zu sehen. Sicher werde ich es ihm sagen. Aber nicht heute. Und nicht vor Weihnachten. Nach Silvester. Auf jeden Fall vor Juni, denn dann kommt das Baby zur Welt. Sternzeichen Zwillinge. Junge oder Mädchen. Egal. Ich werde Mutter.
»Eine alleinerziehende Mutter«, heule ich in Frankas Büro.
»Weiß Jette es schon?«
»Nein, du bist die erste und einzige.«
»Dann lass es vorläufig dabei. Du weißt doch, dass sie nur schwer etwas für sich behalten kann.«
»Wo ist sie überhaupt?«
»Sie streicht die Wohnung in Eppendorf.«
»Jette streicht?«
»Ich glaube dieser Gernot geht ihr zur Hand.«
»Hat sie sich den SeKa Jungen tatsächlich geschnappt?«
»Ich glaube, sein Interesse gilt eher ihrer Wohnung.«
Meiner Wohnung! Bis 31.12. ist es offiziell noch mein Zuhause. Meine vier Wände, die ich aus heutiger Sicht nie und nimmer hätte aufgeben dürfen.
»Mensch, Franka. Was habe ich nur gemacht? Ich habe meinen Job gekündigt. Es ist so gekommen, wie ich immer befürchtet habe. Ich kann von den Möbeln allein nicht leben. Ich habe einen Mann an meiner Seite, der keine Kinder will. Und ich bin schwanger. Meine Wohnung ist weg und das Loft kann ich mir allein nicht leisten. Sag, kann es noch schlimmer kommen?«
»Hör endlich auf zu jammern. Bisher haben wir drei jede Krise gemeistert. Du bist nicht allein. Wenn dein Dr. phil. die Vaterrolle nicht annehmen will, dann eben nicht. Ich bin auch ohne Vater groß geworden und habe keinen Schaden davongetragen. Kurz über lang wirst du von deinen Möbeln leben können. Das braucht halt seine Zeit. Und wenn alle Stränge reißen, dann ziehst du erst einmal zu mir.«
Das ist Franka, wie ich sie kenne. Stark, selbstbewusst und unerschütterlich und vermutlich privat sehr einsam. Seit ihrer Scheidung, gab es keinen anderen Mann an ihrer Seite. Noch nicht einmal ein loses Verhältnis.
»Mach dir keine Sorgen um mein Liebesleben. Ich werde gut versorgt.«
»Von wem? Kenne ich ihn?«
»Das will ich wohl meinen. Du warst schließlich damals unsere Treuzeugin.«
»Du pennst mit deinem Ex? Und was sagt die junge Mutter dazu?«
»Vermutlich ist sie ahnungslos. Genauso ahnungslos, wie ich es damals war. Also rede mir kein schlechtes Gewissen ein. Mein Mitleid mit ihr hält sich in Grenzen.«
»Werdet ihr wieder zusammengehen?«
»Wenn es nach Knut geht, hätte er schon längst wieder
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