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Titan 02

Titan 02

Titel: Titan 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jescke
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Hörer. »Gottes Hilfe und Segen, Bruder Raymond.«
    »Gottes Hilfe, Direktor. Wie geht’s dem Häuptling?«
    Direktor Birch zögerte. »Wir müssen ihn die ganze Zeit unter Sedativen halten. Seine Probleme scheinen ziemlich tief verwurzelt zu sein.«
    »Können Sie ihm helfen? Es ist wichtig.«
    »Wir können nicht mehr tun, als es zu versuchen. Wir werden ihn uns heute abend das erste Mal vornehmen.«
    »Vielleicht sollten wir dabei sein«, sagte Mary.
    »Wenn Sie wollen… Sagen wir, acht Uhr?«
    »In Ordnung.«
    Das Sanatorium war ein langgestrecktes, niedriges Gebäude am Rande der Stadt Gloria. Erst vor kurzem waren neue Flügel angebaut worden; weiter hinten konnte man auch etliche provisorische Baracken erkennen. Direktor Birch empfing sie mit gequälter Miene. »Wir haben so wenig Zeit und Platz; ist dieser Streuner denn wirklich so furchtbar wichtig?«
    Raymond versicherte ihm, daß die geistige Gesundheit des Häuptlings von höchster Bedeutung für die Gemeinschaft war.
    Direktor Birch hob verzweifelt die Hände. »Unsere Brüder und Schwestern drängen sich um Behandlung. Ich nehme an, sie werden also weiter warten müssen.«
    »Das - das Problem besteht noch?« fragte Mary nüchtern.
    »Das Sanatorium wurde für fünfhundert Betten gebaut«, sagte Direktor Birch. »Zurzeit haben wir dreitausendsechshundert Patienten; von den achtzehnhundert Kolonisten, die wir auf die Erde zurückbringen ließen, will ich gar nicht reden.«
    »Aber die Situation bessert sich doch gewiß?« erkundigte sich Raymond. »Die Kolonie hat alle Anfangsschwierigkeiten überwunden; es gibt keinen Grund zur Besorgnis mehr.«
    »Besorgnis scheint nicht die Ursache zu sein.«
    »Was ist die Ursache?«
    »Die neue Umgebung, nehme ich an. Wir sind Erdtyp-Menschen; die Umgebung ist sehr fremdartig für uns.«
    »Das ist sie doch gar nicht mehr!« warf Mary ein. »Wir haben diese Gegend genau nach dem Vorbild einer irdischen Siedlung gestaltet. Und zwar nach einer der hübschesten. Unsere Häuser sind wie auf der Erde. Und wir haben Blumen von der Erde und Bäume von der Erde.«
    »Wo ist der Häuptling?« fragte Bruder Raymond.
    »Nun - im Augenblick befindet er sich auf der Station für besonderen Gewahrsam.«
    »Ist er gewalttätig?«
    »Nicht eigentlich. Er will nur heraus. Sein Verhalten ist äußerst destruktiv. Mir ist so was bisher noch nicht untergekommen!«
    »Haben Sie sich schon eine Meinung gebildet - wenigstens eine vorläufige?«
    Direktor Birch schüttelte ernst den Kopf. »Wir versuchen immer noch, sein Leiden zu klassifizieren. Sehen Sie.« Er reichte Raymond ein Datenblatt. »Das sind seine Testergebnisse in den verschiedenen Bereichen.«
    »Intelligenz null.« Raymond blickte auf. »Ich weiß, daß er nicht so blöd ist.«
    »Sollte man meinen. Nun, der Aussagewert dieser Ergebnisse ist recht vage. Wir können bei ihm ja nicht die üblichen Tests anwenden - thematische Apperzeption und ähnliches, weil das nach unserem kulturellen Hintergrund ausgewertet wird. Diese Tests hier jedoch…« Er tippte auf das Ergebnisblatt. »… die sind universell gültig; wir wenden sie auch bei Tieren an: Klötzchen in zugehörige Löcher einpassen, Farben zusammenstellen, unzugehörige Teile eines Musters herausfinden, Labyrinthaufgaben lösen.«
    »Und wie hat er dabei abgeschnitten?«
    Direktor Birch schüttelte niedergeschlagen den Kopf. »Wenn es möglich wäre, eine negative Punktzahl zu erreichen, dann hätte er das geschafft.«
    »Wieso das?«
    »Nun, er hat zum Beispiel, anstatt ein kleines rundes Klötzchen in ein kleines rundes Loch einzupassen, zuerst das sternförmige Klötzchen zerbrochen und dann mit Gewalt quer hineingesteckt. Dann hat er das Testbrett zerbrochen.«
    »Aber warum?« »Gehen wir zu ihm«, sagte Mary. »Er ist doch nicht gefährlich, oder?« fragte Raymond den Direktor.
    »Durchaus nicht.«
    Der Häuptling wurde in einem gemütlichen Zimmer von etwa drei mal drei Metern gefangengehalten. Er hatte ein weißes Bett mit weißen Bezügen und einer grauen Wolldecke. Die Decke des Raums war in beruhigendem Grün gehalten, der Boden sanftgrau.
    »Oh!« meinte Mary fröhlich, »du warst aber fleißig, Häuptling!«
    »Ja«, sagte Direktor Birch mit zusammengebissenen Zähnen, »er war fleißig.«
    Die Bettbezüge waren in Fetzen gerissen, das Bett lag umgekippt mitten im Zimmer, die Wände waren beschmiert. Der Häuptling saß auf der zusammengefalteten Matratze.
    »Warum machst du hier so einen Saustall?«

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