Titan 06
unten? Und was wollen wir sonst? ›Das Recht, unsere eigenen Ingenieure zu wählen.‹ Warum auch nicht, zum Teufel? Wer ist eher qualifiziert, Ingenieure auszusuchen? Die Techniker – oder irgendein verdammtes, ahnungsloses Komitee, das nie das Inferno kennengelernt hat und ein Rotorlager nicht von einer Feldspule unterscheiden könnte?«
Er wechselte mit dem Geschick des routinierten Redners das Tempo und senkte die Stimme noch mehr. »Ich sage euch, Brüder, es ist an der Zeit, daß wir aufhören, unsere Zeit mit Eingaben an die Transportkommission zu verschwenden. Wir müssen endlich handeln. Sollen sie doch ihr Geschrei über Demokratie loslassen; was schert uns dieser Unfug – wir haben Macht und Einfluß, wir sind es, die wirklich zählen!«
Als der Sprecher sich immer mehr ereiferte, stand hinten im Saal ein Mann auf. Er meldete sich, als der Redner eine kurze Pause einlegte. »Bruder Vorsitzender«, sagte er gleichmütig, »darf ich hierzu ein paar Bemerkungen machen?«
»Sie haben das Wort, Bruder Harvey.«
»Ich frage mich eins: was soll dieser Kanonendonner? Wir haben den höchsten Stundenlohn jeder Mechanikerzunft, volle Sozialversicherung und Pension, und sichere Arbeitsbedingungen, wenn man mal davon absieht, daß man vielleicht taub wird.« Er schob seinen Lärmschutzhelm weiter von den Ohren zurück. Er trug noch seinen Overall, anscheinend hatte er gerade seine Wachschicht hinter sich. »Klar, wir müssen es neunzig Tage vorher sagen, wenn wir kündigen, aber das wußten wir ja wohl verdammt genau, als wir uns bewarben. Die Straßen müssen rollen – sie können nicht jedesmal zum Stillstand kommen, wenn irgendein fauler Idiot seinen Job satt hat.
Und nun erzählt uns Soapy« – der Hammer des Vorsitzenden unterbrach ihn – »Verzeihung, wollte sagen, Bruder Soapy, wie mächtig wir sind, und daß wir endlich handeln sollen. Menschenskinder! Natürlich, wir könnten die Straßen stoppen, und ein höllisches Durcheinander in der ganzen Region anrichten – aber das kann jeder andere mit einem Kanister Nitroglyzerin auch, und er braucht gar kein Techniker zu sein.
Wir sind nicht die einzigen großen Fische im Teich. Sicher, unsere Arbeit ist wichtig, aber wie stünden denn wir da ohne die Bauern – oder die Stahlarbeiter – oder ein Dutzend anderer Gewerbe und Berufe?«
Er wurde von einem blassen kleinen Mann mit vorstehenden Zähnen unterbrochen, der rief: »Nur einen Augenblick, Bruder Vorsitzender, ich möchte Bruder Harvey eine Frage stellen«, worauf er sich zu Harvey wandte und in verschlagenem Ton fragte: »Sprechen Sie für die Zunft, Bruder – oder nur für sich selbst? Vielleicht glauben Sie nicht an die Zunft? Oder sind Sie vielleicht gar…« – er brach ab und taxierte Harveys schlaksige Gestalt von Kopf bis Fuß – »ein Spitzel?«
Harvey musterte seinen Kontrahenten mit einem Blick, den er sonst nur für Fliegen in der Suppe reserviert hatte. »Sikes«, sagte er, »wenn Sie nicht so ‘n Zwerg wären, würde ich Ihnen Ihre vorwitzigen Zähne in den Hals stopfen. Ich war an der Gründung unserer Zunftgewerkschaft beteiligt. Ich hab’ im Jahr sechzig den Streik unterstützt. Wo waren Sie damals? Bei den Drückebergern?«
Der Hammer des Vorsitzenden knallte auf den Tisch. »Das ist jetzt genug«, sagte er. »Niemand, der die Geschichte der Zunft auch nur ein bißchen kennt, kann die Loyalität von Bruder Harvey anzweifeln. Kehren wir zur Tagesordnung zurück.« Er räusperte sich zögernd, bevor er weitersprach. »Normalerweise lassen wir hier keine Außenseiter das Wort ergreifen, und einige von euch haben auch ihre Mißbilligung über manche Ingenieure zum Ausdruck gebracht, unter denen wir arbeiten, aber es gibt einen Ingenieur, den wir immer gerne anhören, wenn er sich von seinen zahlreichen Pflichten freimachen kann. Ich glaube, der Grund ist wohl, daß er sich früher genauso die Hände schmutzig gemacht hat wie wir. Also, ich möchte als nächsten Redner vorstellen: Mr. Shorty Van Kleeck…«
Ein Ruf aus dem Saal unterbrach ihn. »Bruder Van Kleeck…«
»Schön, Bruder Van Kleeck, Erster Stellvertretender Ingenieur dieser Straßensektion.«
»Danke, Bruder Vorsitzender.« Der Gastredner stieg forsch aufs Podium und lächelte das Publikum breit an. Das Wohlwollen der Menge ließ ihn förmlich anschwellen. »Vielen Dank, Brüder. Ich meine, euer Vorsitzender hat recht. Hier im Zunftsaal der Sacramento-Sektion oder auch in jedem anderen Zunftsaal fühle ich
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