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Titan 15

Titan 15

Titel: Titan 15 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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wie an jenem Tag, als sie den Wind getanzt hatte, sondern mit dem Zittern unvergossener Tränen. Sie hielt ihre Zigarette ungeschickt, fast wie einen Bleistift. Ungeschickt legte ich ihr den Arm um die Schultern.
    »Er ist so traurig«, sagte sie, »wie all die anderen.«
    Also verdrehte ich meinen Geist zu einem grellbunten Band, faltete es und schlang verrückte Knoten hinein, die ich so liebe. Vom Deutschen ins Marsianische fertigte ich eine aus dem Stegreif geschaffene Paraphrase eines Gedichts über eine spanische Tänzerin. Ich dachte, es würde ihr gefallen. Und ich hatte recht.
    »Oh«, sagte sie aufs neue. »Haben Sie das geschrieben?«
    »Nein. Ein besserer als ich hat das getan.«
    »Das glaube ich nicht. Sie haben es geschrieben.«
    »Nein. Ein Mann namens Rilke tat es.«
    »Aber Sie haben es in meine Sprache übertragen. Zünden Sie ein Streichholz an, damit ich sehen kann, wie sie tanzte.«
    Ich tat es.
    »Die Feuer der Ewigkeit«, sagte sie versonnen, »und sie hat sie aus
    getreten ›mit kleinen festen Füßen‹. Ich wünschte, ich könnte so tanzen.«
    »Sie sind besser als jede Zigeunerin«, lachte ich und blies das Streichholz aus.
    »Nein, das bin ich nicht. Ich könnte das nicht. Wollen Sie, daß ich für Sie tanze?«
    Ihre Zigarette war heruntergebrannt. Ich nahm sie ihr weg und drückte sie mit der meinen aus.
    »Nein«, sagte ich. »Gehen Sie zu Bett.«
    Sie lächelte, und ehe ich wußte, wie mir geschah, hatte sie die roten Bänder an ihrer Schulter geöffnet.
    Und alles fiel herunter. Ich schluckte, schluckte schwer.
    »Nun, schön«, sagte sie.
    Also küßte ich sie, als der Hauch fallenden Tuches die Lampe löschte.
     
     
3
     
    Die Tage waren wie Shelleys Blätter: gelb, rot, braun, vom Westwind aufgescheucht. Sie wirbelten mit dem Rattern der Mikrofilme an mir vorbei. Beinahe alle Bücher waren jetzt aufgezeichnet. Die Gelehrten würden Jahre brauchen, um sie alle durchzuarbeiten, um ihren Wert richtig einzuschätzen. Ich hatte den Mars in meine Scheunen eingebracht.
    Der Prediger – ich hatte ihn Dutzende Male verlassen und war immer wieder zu ihm zurückgekehrt – war jetzt beinahe bereit, in der Hochsprache zu sprechen.
    Ich pfiff, wenn ich nicht im Tempel war. Ich füllte Seite um Seite mit Gedichten, derer ich mich früher geschämt hätte, und an den Abenden ging ich mit Braxa über die Dünen und in die Berge. Manchmal tanzte sie für mich, und dann las ich ihr etwas Langes in daktylischen Hexametern vor. Sie dachte immer noch, ich wäre Rilke, und beinahe hätte ich mir eingeredet, daß es zutraf. Da war ich im Schloß von Duino und schrieb seine Elegien.
    »Freilich ist es seltsam, die Erde nicht mehr zu bewohnen, kaum erlernte Gebräuche nicht mehr zu üben, Rosen, und andern eigens versprechenden Dingen nicht die Bedeutung menschlicher Zukunft zu geben…«
    Nein! Du darfst Rosen nicht die Bedeutung menschlicher Zukunft geben! Nie. Sie riechen, sie pflücken, dich an ihnen erfreuen. Im Augenblick leben, ihn festhalten. Aber verlange nicht, daß die Götter ihn erklären. So schnell die Blätter verblühen, so schnell der Wind sie fortbläst…
    Und niemand bemerkte uns je. Niemand kümmerte sich um uns.
    Laura. Laura und Braxa. Das ist eine Art Reim. Sie war groß, kühl und blond (ich hasse Blondinen!), und mein strenger Vater hatte mich umgestülpt wie eine Tasche. Ich dachte, sie könnte mich wieder füllen. Aber der große Wortkünstler mit seinem Judasbart und seinen treuen Hundeaugen war nichts anderes gewesen als ein Dekorations
    stück für ihre Partys.
    Das war also meine Beziehung zu Laura!
    Wie die Maschine mich im Tempel verfluchte! Sie verspottete Ma
    lann und Gallinger. Der scharfe Westwind strich über uns hin. Und irgend etwas war dicht hinter uns.
    Die letzten Tage waren gekommen.
    Ein Tag verging, und ich sah Braxa nicht. Dann eine Nacht.
    Und ein zweiter.
    Ein dritter.
    Ich war halb verrückt. Ich hatte gar nicht erkannt, wie nahe wir uns gekommen waren, wie wichtig sie mir gewesen war. Mit der dummen Sicherheit, die mir ihre Anwesenheit gab, hatte ich dagegen angekämpft, Rosen zu befragen.
    Ich mußte fragen. Ich wollte nicht, aber es blieb mir keine andere Wahl.
    »Wo ist sie, M’Cwyie? Wo ist Braxa?«
    »Sie ist gegangen«, sagte sie.
    »Wohin?« »Ich weiß es nicht.« Ich blickte in diese Teufelsvogelaugen. »Ich muß es wissen.« Sie blickte durch mich hindurch. »Sie hat uns verlassen. Sie ist gegangen. In die Berge, glaube ich.
    Oder in die

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