Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Titan 17

Titan 17

Titel: Titan 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn , Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
von Delphi entwickelt, das die Zukunft vorhersagen kann?« versuchte ich, mich sarkastisch zu geben.
    »Ich kann die Zukunft vorhersagen«, antwortete er einfach.
    »Wie machst du es denn?« erkundigte ich mich. Diesmal war mein Sarkasmus nicht gespielt. »Arbeitest du mit einem Kristall, liest du aus der Hand oder legst du die Karten? Oder benützt du einfachere Methoden wie den Kaffeesatz?«
    Wieder lächelte er.
    »Ich bin weder verrückt noch abergläubisch«, entgegnete er. »Ich glaube genausowenig an Zauberei wie du, trotzdem erkläre ich dir ruhig und leidenschaftslos, daß ich die Zukunft vorhersagen kann.« Ich lachte. Das war zwar unhöflich, aber ich kam nicht dagegen an. Die ganze Sache war zu absurd. Doch mein Gastgeber nahm es mir nicht übel.
    »Dein Lachen ist nur ein Zeichen deiner Unwissenheit«, erklärte er leise. »Die ganze Sache ist eine Angelegenheit angewandter Mathematik. Jerningham und ich haben es herausgefunden, oder besser gesagt, er hat es, mit meiner geringen Hilfe in einigen Fragen der reinen Mathematik, entdeckt. Wie, hast du denn geglaubt, bin ich zu meinem Vermögen gekommen?«
    Ich gestand meine Ahnungslosigkeit in bezug auf seinen modus operandi, und er fuhr fort:
    »Ich habe es an der Börse zusammengetragen. Da ich in der Lage war, mit mathematischer Genauigkeit die Bewegungen jeglicher Aktie vorherzusagen, benötigte ich zum Anfangen nicht mehr als einen Schnürsenkel. Ich vergrößerte mein ursprüngliches Kapital von weniger als tausend Dollar auf zwanzig Millionen, und das bei nur einem einzigen Fehlschlag, der durch meine Achtlosigkeit bei einer Addition verursacht wurde.«
    Ich war von seiner Erzählung aufrichtig beeindruckt. Wie auch immer er es angestellt hatte, jeder, der eine solche Leistung wie die genannte zuwege brachte, verdiente Respekt.
    »Kannst du auch andere Dinge vorhersagen?« wollte ich wissen.
    »Ich kann alles vorhersagen, für das sich die notwendigen Daten zusammentragen lassen.«
    »Kannst du mir sagen, wann ich sterben werde?« fragte ich ihn.
    Er zuckte zusammen, als hätte ich ihn geschlagen.
    »Das kann ich«, antwortete er, »aber ich bin nicht so grausam, das zu verraten, solange ich nicht sicher bin, daß du das Ausmaß dessen, was du verlangst, begreifst.«
    »Wieso grausam?« fragte ich. »Ich würde es wirklich gerne wissen. Es würde mir überhaupt nichts ausmachen, diese Information zu besitzen. Wir müssen alle irgendwann einmal sterben, und ich glaube, daß es von Vorteil wäre, den Zeitpunkt zu kennen.«
    »Das ist die Narretei des Unwissenden«, erwiderte er bitter. »Ich mache dir das aber nicht zum Vorwurf. Ich habe selbst einmal so gedacht. Stell deine Bitte einmal einen Augenblick zurück. Ich gebe zu, wir wissen, daß wir eines Tages sterben müssen, doch wir begreifen das nicht wirklich. Jeder sieht mit Gleichmut dem Zeitpunkt entgegen, da seine Freunde oder sogar seine Familienmitglieder sterben werden, doch die Tatsache seines eigenen, rasch näherrückenden Todes kann keiner erfassen. Der Tod erscheint jedem von uns als etwas, das in keiner Beziehung zu uns steht. Auch wenn wir dies nicht sagen, träumt jeder von sich als einem Unsterblichen und begreift nicht, daß der Tod, den er bei anderen als unausweichlich anerkennt, für ihn selbst ebenso unvermeidlich ist. Dieser Gedanke, oder vielmehr diese innere Überzeugung, hält uns in Schwung. Überlege nun einmal, welches Interesse du noch am Leben hättest, wenn du erführst, daß du nur noch neun Tage zu leben hast? Was könntest du in neun Tagen tun?«
    »Ich rechne nicht damit, in neun Tagen zu sterben«, entgegnete ich.
    »Damit bestätigst du nur meine Auffassung«, sprach er weiter. »Tausende von Menschen werden in den nächsten neun Tagen sterben, warum solltest du nicht einer davon sein? Es gibt keinen Grund, der dagegen spricht, trotzdem lehnst du es ab, auch nur die Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Deine Antwort stimmt mit der überein, die all die Tausende geben würden, die tatsächlich sterben werden, selbst jene, die mit lebensgefährlichen Krankheiten das Bett hüten.«
    »Besäße ich deine Fähigkeit, die Zukunft vorauszusagen, so würde ich niemals sterben«, gab ich zurück. »Du sollst beispielsweise am Morgen des 11. Dezember im Bellevue-Krankenhaus sterben. Wäre ich an deiner Stelle, so befände ich mich am 10. Dezember in China, anstatt hier wie ein Schaf auf die Schlachtbank zu warten.«
    »Ich habe nicht gesagt, daß ich im Bellevue-Krankenhaus

Weitere Kostenlose Bücher