Titan 17
verehrten Gastgeber keineswegs zu nahe treten und schenke seinem Bericht absoluten Glauben, wie dieses Dokument in seine Hände kam. Vielleicht versucht hier aber auch jemand nur, den Umstand zu verschleiern, daß zwanzigtausend Dollar verschwunden sind. Doch diese Erklärung will mir nicht ausreichend erscheinen. Mein Rat lautet folgendermaßen: Das Manuskript soll in einem Safe verschlossen werden. Es ist immer noch Zeit genug, seinen Inhalt an die Öffentlichkeit zu bringen, wenn irgendwo auf der Welt merkwürdige Vorkommnisse stattfinden – zum Beispiel in Südamerika.«
Die fünf anderen Herren stimmten diesem Vorschlag gerne zu. Und damit endet diese Geschichte auch. Es bleibt nur noch nachzutragen, daß mindestens drei Männer in Berkeley, Kalifornien, tagtäglich sorgfältigst alle Zeitungen studieren und nach Berichten über merkwürdige Begebenheiten in Südamerika suchen.
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Marcel Bieger
Unzulänglichkeit
(FUTILITY)
CAPTAIN S. P. MEEK
»Kenneth, für dich ist ein Brief gekommen. Er sieht nach etwas Amtlichem aus«, sagte Rose, als ich den Bungalow betrat.
»Ich wußte, daß heute Post aus den Staaten kommt«, antwortete ich, nahm den Brief entgegen und ließ mich in einen bequemen Sessel fallen. »Vermutlich ein Geschäftsbrief, der irrtümlich hierher ausgeliefert wurde.«
»Es steht ›persönlich‹ drauf«, wand sie ein.
Ich riß den Umschlag auf und warf einen Blick auf den Briefbogen.
»Allmächtiger Gott!« entfuhr es mir, ich setzte mich stocksteif auf.
Rose trat schnell neben mich und las den Brief über meine Schulter hinweg. Er enthielt die Nachricht, daß Thomas Wallace aus New York am 11. Dezember an den Folgen eines Autounfalles gestorben war. Es stand weiter darin, daß sein Testament eröffnet worden und ich zum Alleinerben seines gesamten Vermögens ernannt worden war.
»Sein Alleinerbe!« rief Rose aus. »Hatte er denn viel Geld?« »Etwa zwanzig Millionen«, erwiderte ich. Rose keuchte angesichts der gewaltigen Summe. »Gütiger Himmel!« ereiferte sie sich. »Dann sind wir ja reich! Wer war er denn eigentlich, Kenneth?«
»Er war ein lebendes Beispiel für die Unzulänglichkeit menschlicher Weisheit«, antwortete ich langsam. »Er war ein Mann, auf dem der Fluch eines zu umfassenden Wissens lag, einer, der vergebens gegen das Schicksal ankämpfte und einen Kampf führte, in dem er sich von Anbeginn an als der Unterlegene wußte.«
Als die Berengaria vor neun Monaten in New York anlegte, war ich einer der ersten auf der Laufplanke. Seit fast vierzehn Jahren hatte ich den Fuß nicht mehr auf den Boden meines Heimatlandes gesetzt und war gespannt, wie die Atmosphäre der geschäftigsten Stadt der Welt auf die Nerven von jemandem wirken würde, der fast anderthalb Jahrzehnte in peruanischen Bergwerkslagern zugebracht hatte. Am Kai sah ich mich aufgeregt nach dem Freund um, der mich hatte abholen wollen. Ich entdeckte niemanden, der Ähnlichkeit mit der ordentlichen, athletischen Gestalt dessen hatte, den ich erwartete. Ich wollte mich gerade zum weiter entfernt liegenden Zollschuppen aufmachen, als sich eine Hand auf meine Schulter legte und eine erschöpfte, teilnahmslose Stimme an mein Ohr drang.
»Du hast dich nicht sehr verändert, Ken.«
Ich fuhr mit ausgestreckter Hand herum, um den zu begrüßen, der mich so willkommen hieß, hielt jedoch unvermittelt inne. Da war nicht die drahtige, kräftige Gestalt, die ich erwartet hatte, und es kostete mich einige Anstrengung, in dem nachlässig gekleideten Individuum vor mir meinen Freund zu erkennen. Es war schon damit zu rechnen gewesen, daß ein Mann nach vierzehn Jahren nicht mehr ganz in der strahlenden Blüte seiner Jugend dastand, doch Tom Wallace war in dieser Zeit um vierzig Jahre gealtert. Es waren weder seine herabhängenden Schultern, noch die Falten in seinem Gesicht, die mich erschreckten, es war vielmehr sein Gesichtsausdruck. Sein Gesicht war das eines Mannes, der alles Wissen erworben und alle Vergnügungen genossen hatte, um herauszufinden, daß alle Weisheit eitel war und jegliches Vergnügen nur Bitterkeit und vergänglich.
Sorgen und Trauer zeichneten sein Gesicht, wie ich es schon bei anderen gesehen hatte, die jedoch noch Leben, Hoffnung und den Glauben in die Zukunft ausstrahlten. Einen Augenblick lang konnte ich seinen Ausdruck nicht unterbringen, doch dann dämmerte mir, wo ich Ähnliches gesehen hatte. Den gleichen Ausdruck hatte ich bei einem zum
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