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Titan 18

Titan 18

Titel: Titan 18 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brain W. Aldiss , Wolfgang Jeschke
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spricht.«
    »Mann, sprechen wir vielleicht von der Zeit!« stöhnte Boshel.
    »Ich habe einen Handel mit den Affen abgeschlossen. Sie werden gegen Langeweile und Müdigkeit immun sein. Dir kann ich das gleiche nicht versprechen.«
    »Äh, Michael, da es ja eine ganze Weile dauern kann, hätte ich gerne gewußt, ob ich vielleicht irgendeine Uhr kriegen kann, um zu sehen, wie schnell alles läuft.«
    Also machte Michael ihm eine Uhr. Es war ein Würfel aus bearbeitetem Stein, der an jeder Kante ein Parsec maß.
    »Du brauchst sie nicht aufzuziehen, du brauchst überhaupt nichts damit zu machen, Bosh«, erklärte Michael. »Ein kleiner Vogel wird alle tausend Jahre kommen und seinen Schnabel an diesem Stein wetzen. Du kannst ablesen, wie die Zeit verstreicht, wenn du zusiehst, wie der Stein kleiner und kleiner wird. Das ist eine vorzügliche Uhr mit nur einem beweglichen Teil, dem Vogel. Ich kann nicht garantieren, ob dein Projekt beendet sein wird, wenn der ganze Stein abgewetzt ist, aber du kannst immerhin feststellen, daß Zeit verstrichen ist.«
    »Besser als gar nichts«, sagte Boshel, »aber es wird ziemlich langweilig werden. Trotzdem glaube ich, daß dies ein ziemlich mittelalterlicher Zeitbegriff ist.«
    »Das glaube ich auch«, sagte Michael. »Aber ich will dir sagen, was ich tun kann. Ich kann dich an diesen Stein anketten und dafür sorgen, daß ein anderer großer Vogel dich im Sturzflug anfliegt und dir Stücke deiner Leber herausreißt. So stand es in einer Geschichte in einem anderen Buch an diesem Zeitungsstand.«
    »Du machst mich ganz schön fertig, Mike. Das wird nicht notwendig sein. Ich werd’ mir die Zeit schon irgendwie vertreiben.«
    Boshel setzte die Affen an die Arbeit. Sie waren dazu abgerichtet, willkürlich auf die Tasten der Schreibmaschine zu dreschen. Innerhalb einer kurzen Zeitperiode (wie die Größeren Geschöpfe die Zeit zählen) hatten die Affen schon ganze Shakespearesche Worte produziert: so zum Beispiel das Wort ›Last‹, das in der zweiten Szene des ersten Akts von Richard III. zu finden ist; ›Geh‹, das sich in der zweiten Szene des zweiten Akts von Julius Cäsar findet, und ›sei‹, das in der allerersten Szene im ersten Akt von Der Sturm vorkommt. Boshel empfand das als sehr ermutigend.
    Einige Zeit später produzierte einer der Affen zwei Shakespeare‐Worte hintereinander. Um diese Zeit war die Heimatwelt Shakespeares (die zugleich die Heimatwelt des Zeitungsstands in Los Angeles war, wo eine große Idee geboren wurde) schon lange nicht mehr im Geschäft.
    Nach einer weiteren Weile hatten die Affen ganze Sätze geschrieben. Bis dahin war schon ein gutes Stück Zeit abgelaufen.
    Die Schwierigkeit mit dem kleinen Vogel bestand darin, daß sein Schnabel anscheinend gar keiner besonderen Schärfung bedurfte, wenn er alle tausend Jahre kam. Boshel entdeckte, daß Michael ihn mit einem ganz schmutzigen Seraphimstrick hereingelegt hatte und den Vogel die ganze Zeit mit Pudding gefüttert hatte. Der Vogel wischte nur zwei‐oder dreimal leicht an dem Stein und verschwand dann für weitere tausend Jahre. Und doch war nach höchstens tausend Besuchen ein unverkennbarer Kratzer an dem Stein wahrzunehmen, ein höchst hoffnungsvolles Zeichen.
    Boshel begann zu erkennen, daß die Aufgabe zu schaffen war. Ein Affe – und nicht einmal der brillanteste von ihnen – produzierte schließlich einen ganzen Satz. ›Sein oder nicht sein, das ist die Frage?‹
    Und in diesem Augenblick geschah etwas anderes. Für Boshel kam das recht überraschend, weil es das erstemal war, daß er es je gesehen hatte, aber er würde es noch milliardenmale sehen, ehe es fertig war.
    Ein winziges kosmisches Stäubchen am äußersten Rande des Weltraums begegnete einem anderen Stäubchen. Das hätte nicht ungewöhnlich sein sollen; Stäubchen begegneten dauernd Stäubchen. Aber dieser Fall war anders. Jenes Stäubchen – in entgegengesetzter Richtung – war das äußerste im ganzen Kosmos gewesen. Da kann man sich nicht voneinander entfernen. Das Stäubchen (ein wimmelndes Konglomerat bevölkerter Welten) betrachtete das andere Stäubchen mit Augen und Instrumenten und sah seine eigenen Augen und Instrumente, die es zurückbetrachteten. Was das Stäubchen sah, war es selbst. Die kosmische tetradimensionale Sphäre war fertiggestellt. Das erste Stäubchen war sich selbst begegnet, wie es aus der anderen Richtung kam, und der Weltraum war durchquert.
    Dann brach alles zusammen.
    Die Sterne erloschen,

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