Titan 18
verringerte sich seine Geschwindigkeit, bis er zuletzt bewegungslos zwischen Erde und Himmel schwebte.
Viele Jahre ließ er sich von den Winden der Stratosphäre von Pol zu Pol tragen, oder ließ zu, daß der lautlose Hagel der Dämmerung ihn westwärts von der aufgehenden Sonne hinwegtrug. Überall fand er Leben, nirgends Intelligenz. Es gab da Dinge, die krochen und flogen und sprangen, aber keine Dinge, die sprachen oder bauten. Zehn Millionen Jahre später mochte es hier Geschöpfe mit Geist geben, die der Schwarm in Besitz nehmen und für seine eigenen Zwecke lenken könnte; jetzt war keine Spur von ihnen zu erkennen. Er konnte nicht ahnen, welche der zahllosen Lebensformen auf diesem Planeten Erbe der Zukunft sein würde, und ohne einen solchen Wirt war er hilflos – ein bloßes Muster elektrischer Ladungen, eine Matrix aus Ordnung und Bewußtsein des eigenen Ichs in einem Universum des Chaos. Aus eigenen Kräften hatte der Schwarm keine Kontrolle über die Materie, und doch gab es, sobald er sich einmal im Bewußtsein einer vernunftbegabten Rasse festgesetzt hatte, nichts, das jenseits seiner Kräfte lag.
Dies war nicht das erstemal und würde auch nicht das letztemal sein, daß der Planet von einem Besucher aus dem Weltraum erforscht worden war – wenn auch niemals von einem mit solch besonderem und dringendem Bedürfnis. Der Schwarm sah sich einem qualvollen Dilemma gegenüber. Er konnte aufs neue seine ermüdenden Reisen beginnen, hoffend, am Ende die Bedingungen zu finden, die er suchte, oder er konnte hier auf dieser Welt warten, sich Zeit lassen, bis eine Rasse emporgestiegen war, die seinen Zwecken dienlich war.
Wie Nebel bewegte er sich durch die Schatten und ließ sich von den flüchtigen Winden tragen, wohin sie wollten. Die schwerfälligen, schlecht geformten Reptilien dieser jungen Welt sahen ihn nie, wenn er vorüberzog, aber er beobachtete sie und zeichnete auf, analysierte, versuchte, in die Zukunft zu extrapolieren. Es gab so wenig zu wählen zwischen all diesen Geschöpfen; kein einziges zeigte auch nur den schwachen Schimmer eines bewußten Verstandes. Und doch, wenn er diese Welt verließ, um eine andere zu suchen, so war durchaus möglich, daß er bis zum Ende aller Zeiten vergebens das Universum durchstreifte. Schließlich traf er seine Entscheidung. Seinem Wesen gemäß konnte er beide Alternativen wählen. Der größere Teil des Schwarms würde die Reise zwischen den Sternen fortsetzen. Aber ein Stück von ihm würde auf dieser Welt bleiben, wie ein Samen, den man in der Hoffnung auf zukünftige Ernte gepflanzt hatte.
Er begann, sich um seine Achse zu drehen, und sein flüchtiger Körper flachte zu einer Scheibe ab. Jetzt flimmerte er an den Grenzen der Sichtbarkeit, wurde zu einem bleichen Gespinst, einem schwachen Irrlicht, das sich plötzlich in zwei ungleiche Fragmente teilte. Langsam hörte die Drehung auf; aus dem Schwarm waren zwei geworden, jeder ein Wesen für sich, mit all den Erinnerungen des Originals, all seinen Wünschen und Bedürfnissen.
Es kam zu einem letzten Austausch von Gedanken zwischen Elter und Kind, die zugleich identische Zwillinge waren. Wenn alles gut für beide verlief, würden sie sich in der fernen Zukunft wieder treffen, hier, in diesem Tal in den Bergen. Der Teil des Schwarms, der hierblieb, würde durch die Zeiten hindurch zu diesem Punkt in regelmäßigen Abständen zurückkehren; derjenige, der die Suche fortsetzte, würde einen Abgesandten zurückschicken, wenn er je eine bessere Welt fand. Und dann würden sie wieder vereint sein, nicht länger heimatlose Verbannte, die vergebens zwischen den gleichgültigen Sternen dahinzogen.
Das Licht der Dämmerung ergoß sich über die rohen neuen Berge, als der Elterschwarm emporstieg, der Sonne entgegen. Am Rand der Atmosphäre erfaßten ihn die Sonnenwinde und trieben ihn widerstandslos hinaus zwischen die Planeten, um erneut die lange Suche zu beginnen.
Der zurückgebliebene Schwarm begann seine beinahe ebenso hoffnungslose Aufgabe. Er brauchte ein Tier, das nicht so selten war, daß Krankheiten oder Katastrophen es auslöschen konnten, noch so winzig, daß es nie wahre Macht über die physische Welt erwerben konnte. Und es mußte sich schnell vermehren, damit man seine Entwicklung lenken und so schnell wie möglich unter Kontrolle bringen konnte.
Die Suche war lang und die Wahl schwer, aber am Ende wählte der Schwarm seinen Wirt. Wie Regen, der in durstigen Boden sinkt, drang er in die Körper
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