Titan - 2
Teufel.«
Direktor Birch wandte sich zu Raymond und Mary. Seine Miene war besorgt, verwirrt. »Das gefällt mir gar nicht. Er ist zu selbstsicher, zu offen.«
»Können Sie ihn heilen?« fragte Raymond vorsichtig.
»Bevor ich eine Psychose heilen kann«, erklärte Direktor Birch, »muß ich sie erst aufspüren. Bisher klingt es mir gar nicht danach, als ob er überhaupt eine hätte.«
»Es muß aber psychische Ursachen haben, daß die Streuner wie die Fliegen sterben«, wisperte Mary. »Es gibt keine äußeren Ursachen!«
Der Direktor wandte sich wieder dem Häuptling zu. »Warum sterben deine Leute, Häuptling? Warum sterben sie in Neustadt?«
Der Häuptling sagte heiser: »Sie schauen hinunter. Keine nette Landschaft. Verrückte Sachen. Kein Fluß, nur gerades Wasser. Das tut Augen weh; wir machen Kanal auf, machen Fluß wieder schön… Tut trotzdem weh. Macht Leute verrückt, Ansehen von verrückten Sachen. Verrückte Leute bringen wir um.«
»Ich glaube, es wäre unklug, jetzt noch mehr zu fragen, bevor wir den Fall genauer untersucht haben«, sagte Direktor Birch.
»Ja«, meinte Bruder Raymond beunruhigt. »Wir müssen über das alles nachdenken.«
Sie verließen das Sanatorium durch die Hauptaufnahmehalle. Auf den Wartebänken drängten sich Aufnahmesuchende und ihre Verwandten, Wärter mit den ihnen anvertrauten Kranken. Draußen herrschte ein trübes Licht, das vermuten ließ, daß über der tiefhängenden Wolkenschicht Urban irgendwo am Himmel stand. Große, schwere Regentropfen klatschten auf die staubige Straße.
Bruder Raymond und Schwester Mary warteten an der Kreuzung auf den Bus.
»Irgendetwas stimmt nicht«, sagte Bruder Raymond bedrückt. »Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht.«
»Und ich bin nicht einmal sicher, ob das nicht an uns liegt.« Schwester Mary blickte sich um, sah ordentliche Häuser und junge Obstbäume, die in Reih und Glied die Sarah-Gulvin-Straße säumten, die ins Zentrum von Gloria führte.
»Ein fremder Planet ist immer eine Herausforderung«, sagte Bruder Raymond. »Wir müssen sie akzeptieren, auf Gott vertrauen – und kämpfen!«
Mary packte ihn plötzlich am Arm. Er drehte sich um. »Was ist?«
»Ich – ich glaube, ich hab’ jemanden durch die Büsche dort rennen gesehen.«
Raymond reckte den Hals. »Ich kann niemanden entdecken.«
»Ich dachte schon, es sei der Häuptling.«
»Das bildest du dir nur ein, Liebste.«
Sie stiegen in den Bus, und bald waren sie in die Geborgenheit ihres weißgetünchten, blumengeschmückten Häuschens zurückgekehrt.
Die Rufanlage summte. Direktor Birch war am Apparat. Seine Stimme klang besorgt. »Ich möchte Sie nicht beunruhigen, aber der Häuptling ist uns entwischt. Er befindet sich nicht mehr auf Sanatoriumsgelände – wir haben keine Ahnung, wo er sein könnte.«
»Ich wußte es, ich wußte es!« flüsterte Mary entsetzt.
Raymond fragte nüchtern: »Sie glauben doch nicht, daß er gefährlich werden könnte?«
»Nein. Er ist nicht der gewalttätige Typ. Aber ich würde trotzdem meine Tür absperren.«
»Danke für Ihren Anruf, Direktor.«
»War doch selbstverständlich, Bruder Raymond.«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. »Was nun?« fragte Mary dann.
»Ich werde alle Türen abschließen, und dann werden wir zusehen, daß wir zu ein bißchen Schlaf kommen.«
Irgendwann in der Nacht fuhr Mary erschrocken hoch. Bruder Raymond wälzte sich auf die Seite. »Was hast du?«
»Ich weiß nicht«, sagte Mary. »Wie spät ist es?«
Raymond blinzelte nach der Wanduhr. »Fünf Minuten vor eins.«
Schwester Mary lag reglos da.
»Hast du irgendetwas gehört?« fragte Raymond.
»Nein. Ich hatte nur – etwas hat mich geweckt. Irgendetwas stimmt nicht, Raymond!«
Er zog sie an sich, bettete ihr blondes Köpfchen in die Mulde zwischen Hals und Schulter. »Wir können nicht mehr als unser Bestes tun, Liebling. Beten wir, daß es Gottes Wille ist.«
Danach schliefen sie beide unruhig, warfen sich hin und her. Raymond stand einmal auf, um auf die Toilette zu gehen. Draußen war es Nacht – der Himmel war schwarz bis auf einen rötlichen Schimmer am nördlichen Horizont. Die rote Sonne Robundus trieb sich irgendwo dort herum.
Raymond stolperte schläfrig zurück ins Bett.
»Wie spät ist es, Liebling?« fragte Marys Stimme aus dem Dunkel.
Raymond schaute folgsam auf die Uhr. »Fünf Minuten vor eins.«
Er stieg wieder ins Bett. Mary hatte sich starr aufgesetzt. »Hast du gesagt, fünf vor
Weitere Kostenlose Bücher