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Titan - 2

Titan - 2

Titel: Titan - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne SF Classics
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sie gaben ihr keinen Kaffee, und sie konnte nicht sprechen – nicht ein Wort. Vater und Mutter (die Gummiez für sich Dosenfutter und Miez-Miez-Kooomm getauft hatte) saßen am Tisch und schenkten einander Kaffee ein, und sie konnten sprechen. Q. e. d.
    Mittlerweile konnte er, Gummiez, recht gut mit Gedankenprojektion und intuitivem Begreifen der gesamten menschlichen Sprache durchkommen – von dem Katzenpatois ganz zu schweigen, das fast jedes zivilisierte Tier instinktiv beherrschte. Die dramatischen Monologe und sokratischen Dialoge, die Auftritte in Quiz- und Diskussionssendungen, die felidologische Expedition ins dunkelste Afrika (wo er die Wahrheit über Löwen und Tiger enthüllen würde), die Erforschung der äußeren Planeten – all dies konnte warten. Das galt auch für die Bücher, für die er unermüdlich Material sammelte: Die Enzyklopädie der Gerüche, Anthropofeline Psychologie, Unsichtbare Zeichen und Geheime Wunder, Raum-Zeit-Sprünge, Schlitzaugen sehen das Leben, und so fort. Im Augenblick war es genug, das Dasein von der Schwanzspitze bis zu den Schnurrbarthaaren auszukosten, Wissen zu sammeln und keine Erfahrung zu versäumen, die seinem Alter entsprach – nicht einmal, mit angesengtem Schwanz herumzusausen.
    So blieb Gummiez allem äußeren Anschein nach ein ganz normales, wenn auch äußerst lebendiges Kätzchen, wie der Folge von Spitznamen zu entnehmen ist, die ihn auf dem zauberhaften Pfad vom blauäugigen Säuglingsalter bis zur Pubertät geleiteten: Winzy, Mauz, der Große Schnurrbartputzer (was auf hygienischen Gründen und nicht auf Eitelkeit beruhte), Tapser, Alter Vielfraß, Schmusekatz (liebevolle Veranlagung, nicht Sex), Streuner und Katznik.
    Von diesen Namen erfordert wohl nur der letzte eine genauere Erläuterung: die Russen hatten eben ihrem Sputnik einen Hundnik (Sputnik plus Hund) nachgeschickt – wie also eines Abends Gummiez dreimal in der gleichen Richtung über das Firmament des Wohnzimmerbodens, vorbei an den Fixsternen der Menschen und den relativ viel langsameren Himmelskörpern der beiden älteren Katzen huschte, war es wohl unvermeidlich, daß Dosenfutter bemerkte: »Schaut mal – ein Katznik!«
     
    Dieser neue Name hielt sich ganze drei Tage lang, bis er von Gummiez ersetzt wurde, was mit einer gewissen physischen Elastizität zusammenhing und anscheinend dauerhafter sein würde.
    Die kleine Katze stand im Begriff, wirklich erwachsen zu werden, zumindest hörte Gummiez Dosenfutter eine diesbezügliche Bemerkung zu Miez-Miez-Kooomm machen. In ein paar kurzen Wochen, so sagte Dosenfutter, würde Gummiez harte Muskeln bekommen, sein schlanker Hals würde ein dicker Katerhals werden, seine knisternde Lebendigkeit sich nur mehr im Fell bemerkbar machen, kurzum, seine ganzen reizenden Kätzcheneigenschaften würden bald in den eingleisigen Charakter eines echten Katers münden. Sie könnten froh sein, schloß Dosenfutter, wenn er nicht ein so grantiger wie Assurbanipal wurde.
    Gummiez lauschte diesen Vorhersagen mit fröhlicher Unbeteiligtheit und geheimem Amüsement, das auf seinem besseren Wissen beruhte. In der gleichen Geisteshaltung akzeptierte er viele Umstände seines nach außen hin so konventionellen Lebens: die mörderischen Seitenblicke, die er von Assurbanipal und Kleopatra erntete, wenn er sein Pferdefleisch aus seinem eigenen kleinen Blechtellerchen verschlang – sie bekamen nämlich manchmal Katzenfutter aus Dosen, er nie; dann die aufreizende Stupidität des Säuglings, der den Unterschied zwischen einer lebendigen Katze und einem ausgestopften Teddybären nicht kannte und seine Unkenntnis durch allerlei glucksende Geräusche zu verschleiern suchte und überdies einem nach den Augen stocherte; die weit ernstere – weil schlau bemäntelte – Bosheit von Sissy, vor der man sehr auf der Hut sein mußte, insbesondere, wenn man allein war, und deren stockende, ja abnorme Entwicklung, wie Gummiez wußte, die geheimste und schrecklichste Sorge von Dosenfutter und Miez-Miez-Kooomm war (mehr über Sissy und ihre Verworfenheit folgt in Kürze); schließlich die Beschränktheit von Miez-Miez-Kooomm, die trotz der Mengen Kaffee, die sie trank, genauso hirnlos war, wie es Kätzchen nach allgemeiner menschlicher Ansicht sind, und die zum Beispiel fest davon überzeugt war, daß Katzen sich in der gleichen Raumzeit bewegten wie andere Lebewesen – daß sie, um von hier nach dort zu kommen, den Raum dazwischen durchqueren müßten – und ähnliche entschuldbare

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