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Titan 3

Titan 3

Titel: Titan 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
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wieder.
    In der Menge hinter dem Ambulanzwagen schwang ein Arm hoch. Etwas Dunkles flog durch die Luft und zerbrach an dem Dach des Fahrzeugs. Flammen loderten darüber hin, tropften an den Seiten hinunter, rannen in Geschützspalte und Sichtluken, wurden durch die Lüftung ins Innere gesogen.
    Einen Augenblick lang geschah gar nichts. Die Szene wirkte wie ein Bild aus einem angehaltenen Film: die Ambulanz, die umgekippten Räder mitten auf der Straße. Die Fahrer und ein paar Bürger zusammengebrochen und verkrümmt auf dem Pflaster, die reglosen Zuschauer, die träge in öligschwarzen Rauch emporzüngelnden Flammen.
    Dann wurde die Seitentür der Ambulanz aufgerissen.
    Ein Arzt taumelte heraus, mit der einen Hand einen Gegenstand umklammernd, mit der anderen schlug er auf die Flammen ein, die an seiner weißen Jacke fraßen.
    Die Bürger sahen schweigend zu, ohne zu helfen oder sonstwie einzugreifen. Aus ihrer Mitte trat ein dunkelhaariger Mann. Seine Hand hob sich – sie hielt etwas Dunkles, Elastisches. Plötzlich fuhr die Hand herunter, an den Kopf des Arztes.
    Harry konnte bei dem Dröhnen noch laufender Motoren nichts hören. Die Pantomime ging weiter, und er war einer der reglosen Zuschauer. Der Arzt brach zusammen, und der Mann bückte sich zu ihm nieder, löschte die Flammen mit bloßer Hand, nahm ihm den Gegenstand weg, den er noch immer umklammerte, und blickte dann zur Tür der Ambulanz.
    Ein Mädchen stand dort, wie Harry erst jetzt auffiel. Aus dieser Entfernung konnte er nur sehen, daß es dunkelhaarig und schlank war.
    Das Feuer auf dem Fahrzeug brannte aus. Das Mädchen stand an der Tür, ohne sich zu bewegen. Der Mann neben dem zusammengebrochenen Arzt starrte es an, wollte ihm eine Hand entgegenstrecken, ließ sie dann aber sinken und verschwand in der Menge.
    Seit dem Aufheulen der Sirenen waren kaum zwei Minuten vergangen.
    Stumm drängten die Bürger nach vorn. Das Mädchen drehte sich um und stieg wieder in die Ambulanz. Die Bürger zogen den Motorradfahrern die Schutzkleidung aus, nahmen ihnen die Waffen ab, holten die schwarze Arzttasche und die Medikamente aus dem Wagen, nahmen ihre zusammengebrochenen Kameraden auf und verschwanden.
    Es war wie ein Zauber. Einen Augenblick zuvor hatte eine dichtgedrängte Menge die Straße erfüllt – im nächsten war kein Mensch mehr zu sehen. Die Straße lag verlassen da.
    Hinter den Mauern des Medizinischen Zentrums begannen die Sirenen wieder zu heulen.
    Es war, als löse sich ein Bann. Harry begann die Straße hinunterzulaufen, wollte rufen, wollte schreien, aber jeder Laut blieb ihm in der Kehle stecken.
    Aus dem Ambulanzwagen stieg ein Junge. Er war schmächtig und klein – wohl nicht älter als sieben Jahre. Er hatte blonde, ganz kurz geschnittene Haare und dunkle Augen in einem gebräunten Gesicht. Er trug ein altes Sportleibchen, das einmal weiß gewesen sein mochte, und abgewetzte Jeans, die an den Knien abgeschnitten waren.
    Er streckte eine Hand ins Innere der Ambulanz. Eine vergilbte Klaue wurde sichtbar, dann ein Arm. Der Arm wirkte wie ein knorriger Ast, den wulstige blaue Venen wie Schlingpflanzen überzogen. Er gehörte einem hageren, alten Mann, mit dürren, stelzenhaften Beinen. Der Greis hatte dünnes, weißes Haar, und seine Haut glich runzligem Leder. Ein fadenscheiniges, tunikaartiges Gewand fiel von seinen knochigen Schultern in Falten bis zu den Schenkeln.
    Der Junge führte den alten Mann behutsam heraus auf die verwüstete Straße, denn der Alte war blind. Seine Lider lagen flach und dunkel über leeren Augenhöhlen. Der alte Mann bückte sich mühsam zu dem am Boden liegenden Arzt, und seine Finger untersuchten den Schädel. Dann schleppte er sich zu dem Motorradfahrer, den der Ambulanzwagen überrollt hatte. Der Brustkasten des jungen Mannes war eingedrückt; hellroter Schaum zeigte sich auf seinen Lippen, wenn die von den Rippen durchbohrten Lungen nach Luft rangen.
    Er war so gut wie tot. Die Medizin konnte bei derart schweren, umfangreichen Verletzungen nichts mehr tun.
    Harry erreichte den alten Mann und packte ihn an seiner knochigen Schulter. »Was tun Sie da?« fragte er mißtrauisch.
    Der alte Mann rührte sich nicht. Er hielt die Hand des Verletzten eine Weile fest, dann richtete er sich ächzend auf. »Ich heile«, flüsterte er rauh.
    »Dieser Mann stirbt«, sagte Harry.
    »Das tun wir alle«, antwortete der alte Mann.
    Harry starrte auf den Motorradfahrer hinunter. Atmete er leichter, oder war das

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