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Titan 3

Titan 3

Titel: Titan 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl
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Einbildung?
    In diesem Augenblick kamen die Männer mit den Tragbahren.
     
    Es war nicht leicht für Harry, das Büro des Direktors zu finden. Das Medizinische Zentrum umfaßte Hunderte von Straßenblocks. Es war gleichsam wie aus eigenem Antrieb gewachsen, denn niemand hatte es je in dieser Größe geplant. Als aber der Bedarf nach medizinischer Behandlung und Forschung so anstieg, daß der vorhandene Raum nicht mehr genügte, war hier ein Ableger entsprossen, dort ein Flügel, und Tunneladern waren mittendurch gewachsen, darunter und außen herum…
    Er folgte dem glimmenden Leitstab durch die nicht gekennzeichneten Korridore und versuchte, sich den Weg zu merken. Aber es war zwecklos. Schließlich steckte er den Stab in das Schloß einer gepanzerten Tür. Die Tür schluckte den Stab und öffnete sich. Als Harry eingetreten war, schwang die Tür zu und versperrte sich automatisch.
    Er befand sich in einem kahlen Vorraum. Auf einer an den Boden festgeschraubten Metallbank saßen der Junge und der alte Mann aus dem Ambulanzwagen. Der Junge blickte neugierig zu Harry auf, dann senkte sich sein Blick wieder auf seine verschränkten Hände. Der alte Mann ruhte gegen die Wand gelehnt aus.
    Etwas weiter weg saß ein Mädchen, das aussah wie jenes, das Harry in der Tür der Ambulanz gesehen hatte. Sie war jedoch kleiner und jünger, als er angenommen hatte. Ihr Gesicht war blaß. Nur in ihre blauen Augen kam für einen Augenblick Leben, als sie ihn mit einem seltsam bittenden Ausdruck ansah, dann wurde ihr Blick wieder stumpf. Harry musterte ihre Figur, die, jungenhaft und ungeformt, in einem einfachen, braunen Kittel steckte. Sie kann nicht älter als zwölf oder dreizehn sein, dachte er.
    Der automatische Türhüter mußte die Frage zweimal stellen:
    »Name?«
    »Dr. Harry Elliott«, sagte er.
    »Herantreten zur Kontrolle.«
    Harry ging zur jenseitigen Tür und legte seine rechte Hand flach auf eine daneben in die Wand eingelassene Platte. Ein Licht blitzte vor seinem rechten Auge auf – sein Netzhautmuster wurde überprüft.
    »Alle Metallgegenstände in den Behälter legen«, befahl der Automat.
    Harry zögerte, dann holte er sein Stethoskop aus der Jackentasche, nahm seine Uhr ab, entfernte Münzen, Taschenmesser und Hypospray aus den Hosentaschen.
    Etwas klickte laut.
    »Nasenfilter«, erinnerte der Automat.
    Harry legte auch sie in den Behälter. Das Mädchen beobachtete ihn, aber als er hinübersah, schlug es die Augen nieder. Dann ging die Tür auf, und er trat hindurch. Die Tür schloß sich sofort hinter ihm.
    Das Arbeitszimmer von Direktor Mock war ein prachtvoller Raum, etwa sieben mal zehn Meter groß, in viktorianischem Stil möbliert. Die dunklen Möbelstücke sahen alle wie echte Antiquitäten aus, vor allem der eichene Sekretär mit Rolladendeckel und der Instrumentenschrank aus Mahagoni.
    Das Zimmer wirkte üppig und eindrucksvoll. Harry selbst jedoch bevorzugte zwanzigstes Jahrhundert. Die klaren Linien von Chrom und Glas waren ästhetisch befriedigender als der überladene Stil früherer Epochen, und überdies stammten sie aus der glorreichen Frühzeit der medizinischen Wissenschaft – aus der Periode, da die Menschen zum erstenmal begriffen, daß Gesundheit nichts Zufälliges war, daß man sie vielmehr kaufen konnte, wenn man nur bereit war, den Preis zu zahlen.
    Harry hatte Mock schon früher gesehen, aber noch nie mit ihm gesprochen. Seine Eltern konnten das nicht begreifen. Sie glaubten, er sei die wichtigste Persönlichkeit des Medizinischen Zentrums, nur weil er Arzt war. Er versuchte, ihnen immer wieder klarzumachen, wie groß das Zentrum war, wie viele Menschen sich darin aufhielten: fünfundsiebzig- bis hunderttausend – nur die Statistiker kannten die genaue Zahl. Er bemühte sich jedoch vergeblich; sie begriffen es nicht. Mit der Zeit hatte Harry es aufgegeben.
    Der Direktor kannte Harry nicht. Er saß, ganz in Weiß gekleidet, an seinem riesigen Schreibtisch und studierte Harrys Personalakte, die auf den in der Platte eingelassenen Schirm projiziert wurde.
    Das schwarze Haar des Direktors begann sich zu lichten. Er war jetzt fast achtzig Jahre alt, aber man sah es ihm nicht an. Seine Erbanlagen waren gesund, und dazu war die bestmögliche medizinische Behandlung gekommen. Er würde es noch mindestens zwanzig Jahre machen, auch ohne Langlebigkeitsspritzen, schätzte Harry. Und dann würde man ihm bei seiner Stellung und seinen Leistungen sicher einen Aufschub bewilligen.
    Einmal, als

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