Titan 5
knallenden Fehlzündung verstummte es. Die beiden Männer vor der Kirche hörten jemand in der Dunkelheit fluchen, dann sprang der Motor wieder an, nur um nach weiteren zehn Sekunden abermals stehenzubleiben.
Der Doktor trat auf die Straße hinaus. Ein Mann schob ein altertümliches Automobil, während seine Frau lenkte, aber der Motor wollte nicht wieder anspringen. Der Mann rasselte mit Werkzeug, öffnete die Kühlerhaube und suchte im matten Lichtschein einer Taschenlampe nach dem Schaden.
»Wenn Sie einen Traktor fahren können, einen halben Block weiter steht einer«, rief Doktor Miller hinüber.
Der Mann blickte auf, leuchtete in die Richtung des Arztes, blickte um sich, zog die Frau aus dem Wagen und rannte ohne ein weiteres Wort mit ihr davon. Augenblicke später erwachte der Diesel blubbernd zum Leben, brüllte unter dem nervös pumpenden Fuß des Mannes auf und entfernte sich rasch durch die Dunkelheit. Aus der anderen Richtung kam jetzt der deutliche, aber nicht näher bestimmbare Lärm einer anrückenden Streitmacht, und ungefähr fünfhundert Meter jenseits der Straßenbiegung am Ortsausgang tasteten die blassen Finger von Suchscheinwerfern über das nächtliche Land.
Der Doktor und Amos hatten kein Versteck, das ihnen Sicherheit hätte bieten können. Sie zogen sich in die Kirche zurück, schlossen die Tür und warteten hinter einem Fenster, wo die Farbe der Glasmalerei abgeblättert war und die Beobachtung der Straße erlaubte. Es dauerte nicht lange, und die Vorhut der Invasoren kam in Sicht, dunkle, schemenhafte Gestalten, die von Haus zu Haus, von Gebüsch zu Gebüsch sprangen. Sie schienen etwas in die Häuser und Vorgärten zu werfen, und hinter ihnen bildeten sich Schwaden aus dünnem Rauch, der seltsam glühte, obwohl kein Feuer zu sehen war.
Ungefähr zehn Minuten später, als das Gros der Feinde in Sicht kam, sprang schräg gegenüber eine Haustür auf. Ein sehniger Mann sprang wie ein Besessener heraus, gefolgt von seiner korpulenten Frau und einer noch beleibteren Tochter. Sie rannten wie von Sinnen die Straße entlang, zerrten an ihren Kleidern und kratzten ihre gerötete Haut.
Schüsse krachten. Alle drei zuckten zusammen, liefen aber weiter. Weitere Schüsse peitschten, und zuerst dachte Amos, die Fremden wären unglaublich schlechte Schützen. Dann aber wurde ihm klar, daß sie im Gegenteil unglaublich gute Schützen waren. Sie benutzten die drei flüchtenden Menschen als Schießscheiben, zielten zuerst auf die Hände, dann auf die Unter- und schließlich auf die Oberarme, um dann erst die Körper selbst aufs Korn zu nehmen. Sie schossen die Leute buchstäblich in Stücke.
Zum erstenmal seit Jahren fühlte sich Amos von Zorn und Furcht überwältigt; sein Magen krampfte sich zu einem kalten, schmerzhaften Klumpen zusammen. Er wandte sich vom Fenster ab zum Altar und hob die Arme in einer beschwörenden Gebärde, während seine Lippen Worte murmelten, die er selbst nur halb verstand.
»Auf, Herr! Den Arm erhebe, Gott! Vergiß doch nicht der Elenden! – Was höhnt der Frevler Gott und denkt bei sich: ›Du ahndest nichts?‹ – Du hast’s gesehen, du schaust ja hin auf Leid und Jammer. In Deine Hand sich übergebend, verläßt sich, wer in Not, auf Dich; Verwaisten bist Du ja ein Helfer. Zerbrich des Frevlers Arm, zerschmettere ihn! Wenn er nach seinem Frevel greift, dann fasse er ihn nimmermehr!…«
»Hör auf, Amos!« sagte Doc Miller rauh. »Sei kein Dummkopf! Und wahrscheinlich hast du falsch zitiert!«
Das schnitt durch den Nebel seines blinden Zorns. Er wußte, daß er richtig zitiert hatte, und daß der Doktor ihn absichtlich an seinen Vater erinnert hatte, aber der Trick wirkte, und die Erinnerung an seines Vaters Erregung über falsch zitierte Bibelstellen verdrängte die Gefühlsaufwallung. Er murmelte hilflos: »Wir dürfen das nicht zulassen!«
Dann sah er, daß es vorbei war. Sie hatten die drei zur Strecke gebracht. Aber der Anblick eines weiteren Unglücklichen, der ein Stück weiter die Straße abwärts zusammengeschossen wurde…
»Wir können nichts machen, Amos«, sagte der Arzt mit halberstickter Stimme. »Ich kann nicht verstehen, daß eine Rasse klug genug ist, den Weltraum zu überwinden, und dennoch Gefallen an solchen Quälereien finden kann. Aber auf lange Sicht ist es gut für uns. Während unsere Streitkräfte den Widerstand organisieren, vergeuden jene ihre Zeit damit. Und je größer die Grausamkeit, desto erbitterter der Widerstand.«
Die
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