Titanen-Trilogie 03 - Der Sturz der Titanen
ausgetauschten Erfahrungen und seine Zählung der Toten hatten ergeben, daß ihnen nur wenige entgangen sein konnten. War der Eindringling von aussen gekommen? Die meisten Nomaden hatten Angst vor diesem Gebiet und würden den Berg nie betreten, selbst wenn sie einen Eingang gefunden hätten.
Natürlich hatten Tyl und seine Truppen sich hier während der Eroberung Eintritt verschafft. Diese Männer konnten hier also nach Belieben jederzeit wieder eindringen. Aber Neq hatte die Eingänge so gut als möglich verschlossen und hatte keine Anzeichen einer gewaltsamen Öffnung entdecken können. Alles war unversehrt.
Jemand war hier frech eingedrungen, hatte sich umgesehen, hatte einen Imbiss eingenommen und war wieder verschwunden. Dieser Jemand konnte wiederkommen.
XIX
»Ja, sie ist schwanger«, erklärte Dick der Arzt. »Unter diesen Umständen sollte man sie von der - hm, Wechselrunde befreien. Unsere Kinder werden einst unser grösster Trumpf sein, denn sie werden in zivilisierter Atmosphäre aufwachsen . . .«
An Neq lag es nun, eine Entscheidung zu treffen. Er würde einen Präzedenzfall schaffen, denn er war sich seiner eigenen Neigung wohl bewusst. Sein Verstand sagte ihm, daß man die Frauen miteinander teilen musste. Gefühlsmässig aber konnte er Vara nicht teilen. »Das fällt ins Gesundheitsressort«, sagte er. »Das ist Ihr Entscheidungsbereich.«
Vara brauchte fürderhin nicht die Runde zu machen. In Wahrheit funktionierte das System ohnehin noch nicht so recht. Die Menschen brauchten eine gewisse Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Es gab Probleme mit der Unterbringung der Frauen, denn sie wollten zurückgezogener leben, als es in den Männerzimmern möglich war, von der sexuellen Seite ganz abgesehen. Schließlich bekamen sie eigene Räumlichkeiten zugewiesen, doch es wurde erwartet, daß sie regelmäßig die Runde machten.
Wenn auch das gesellschaftliche System nur eingeschränkt funktionierte, so ging es mit dem Wiederaufbau gut voran. Der Anschluss an das Stromnetz war einfacher als gedacht. Ein paar Kabel mussten gelegt werden, einige Kreise geschlossen, ein paar Teile ausgetauscht, und auf einmal gab es Licht und Wärme und Frischluft und sanitäre Einrichtungen. Helicon war nach einem wunderbaren Plan angelegt worden. Man musste die vorhandenen Einrichtungen nur ergänzen oder erneuern. Nach einem Monat waren sie bereits imstande, zusätzliche Maschinen laufen zu lassen: die Untergrundbahn zur Herberge, die Maschinen in den Werkstätten. Nach zwei Monaten wurden die ersten Waffen produziert: Stäbe, die von einer endlosen, aus einem automatischen Schmelzofen ausgestoßenen Stange abgeschnitten wurden. Das Metall stammte aus den gewaltigen metallischen Abfallbeständen des Berges - diese rechten noch für ein ganzes Jahrhundert aus.
Neq merkte mit einer gewissen Verwunderung, daß es klappte! Helicon erwachte wieder zum Leben und funktionierte. Dieser deutliche Erfolg war hinter dem täglichen Kleinkram an Projekten und hinter den zahlreichen Krisen fast unsichtbar geblieben! Helicon bildete eigentlich eine Wesenheit in sich selbst und folgte eigenen Gesetzen. Das Vergehen der Jahre und der Personalwechsel rührten nicht an diese gewaltige Quasi-Persönlichkeit.
Während eines Nachtzyklus wurde Neq vom Alarmsignal geweckt. Die Nacht war hier ebenso künstlich wie der Tag, doch der Rhythmus der Aussenwelt wurde beibehalten. Die kürzlich wieder instand gesetzte Fernsehscheibe war eingeschaltet.
»Wir haben etwas erfasst«, sagte Jim kurz und bündig. »Es ist durch keinen der bekannten Eingänge eingedrungen, und doch befindet es sich jetzt im Inneren. Ich dachte mir, Sie würden gern dabeisein.«
»Und wie!« Neq schlüpfte in sein spezielles weitärmeliges Gewand und lief durch die matt erleuchteten Gänge zu Jims Labor. Er dachte an den geheimnisvollen Besucher. Ob er wiedergekommen war.
»Ich dachte erst, es sei eines von den Randzonen-Biestern«, sagte Jim. »Die finden immer wieder neue Schlupfwinkel . . .« Neq wusste, was er meinte. In den strahlenverseuchten äußeren Gängen des Berges lebten merkwürdige Kreaturen - Mutationsungeheuer, die sich ihre eigene groteske Ökologie geschaffen hatten. Das eigentliche Helicon war von diesen Teilen abgeschnitten, doch die Sperren waren durchlässig und wurden manchmal von Nagetieren und Amphibien überwunden. Einmal war ein toter froschähnlicher Nager aus der Wasserspülung einer Toilette geschnellt. Jim hatte das ganze Röhrensystem
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