Titanus
Abschiedsworten auszudrücken.
Nasarow nahm Platz und wandte sich an den Chefastronauten, einen schlanken Engländer, dessen knochiges Gesicht gleichgültig schien. Nur seine Augen blickten munter und verrieten innere Teilnahme.
»Sagen Sie, Genosse Canterville, haben Sie Genossen Jansen gesehen? Ist er schon…«
»No«, unterbrach ihn Canterville kopfschüttelnd, »ist noch nicht eingetroffen!«
Nasarow erschrak. »Und wenn er nicht kommt? Bei den Vorbereitungen muß er dabeisein. Wir können doch den Start nicht verschieben – die Befehlsbänder für die automatische Steuerung sind so berechnet, daß wir am Mittwoch starten müssen!«
Canterville hob gelassen die Schultern und schwieg. Offensichtlich amüsierte er sich über den Russen, der vor Erregung vergaß, daß er mit dem Chefastronauten sprach, und ihm Dinge erzählte, die er selber am besten wissen mußte.
Nasarow grübelte. Er hörte nicht, was der Redner sagte, verstand auch nicht die Worte der Regierungsvertreter. Nur wenn Beifall ihre Worte bekräftigte, fuhr er zusammen und sah sich betroffen um. Dann versank er jedoch sofort wieder in Gedanken.
Kam Jansen noch? Er wußte doch, daß man sich auf ihn verließ! Aber konnte man sich auf ihn verlassen – einen Chefingenieur, der am Tage der Abschiedsveranstaltung noch nicht eingetroffen war! Das sah nicht so aus, als hätte er freiwillig und überzeugt die Teilnahme zugesagt.
Stimmengewirr schreckte ihn auf. Die offizielle Verabschiedung war vorüber. Nun schüttelten die Zurückbleibenden – Wissenschaftler, Vertreter der Regierungen des Staatenblocks, Reporter – den Expeditionsmitgliedern die Hände.
Als Nasarow und seine Mitarbeiter die Autobusse bestiegen, die sie zum Startplatz der Weltraumraketen bringen sollten, fehlte Jansen. Er fehlte immer noch, als sie den Startplatz erreichten. Es blieben noch dreißig Minuten bis zum Start.
Michael Jansens Hände umkrampften das Lenkrad. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er auf die Fahrbahn. An beiden Seiten flogen die gleichförmigen Sandfelder der Wüste Gobi vorüber.
Der verbissene Ausdruck ließ das kantige Gesicht des Dreißigjährigen um Jahre älter erscheinen, und seine über dem Lenkrad zusammengekrümmte Gestalt verstärkte diesen Eindruck. Alles an ihm war verkrampft; auf dem Handrücken zeichneten sich die Adern ab und gaben den breiten Händen etwas Greisenhaftes. Nur sein blondes Haar war gelöst und lief in wirren Strähnen durcheinander. Sein Gesicht war unbewegt, nur in den Augenwinkeln zuckte es.
Er durfte sich nicht verspäten! Hatte er wirklich gehofft, Jadwiga noch umzustimmen? Weshalb war er sonst noch einmal zu ihr gefahren – im letzten Augenblick. Sie war kalt – so kalt wie schön! Aber was hätte es genützt, wenn er sie umgestimmt, wenn sie nachgegeben hätte – es wäre doch zu spät gewesen. Er mußte ja in den Weltraum fliegen. Mußte! Denn er hatte sich gemeldet! Torheit das alles… In einigen hundert Jahren kam er erst zurück! Wer weiß, wie es dann auf diesem verrückten Erdball aussah. Vielleicht dehnten sich dann beiderseits der Straße unübersehbare Sojabohnenfelder aus.
Schnurgerade zog sich das Band der Betonstraße dahin. Und immer noch Sand, nichts als flimmernder Sand. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte ihm eine riesige Staubfahne, die an seinem Wagen hing.
Sojabohnenfelder… Ferngesteuerte Maschinen würden säen, pflegen und ernten. Fern in einer Zentrale würde ein Agronom vor Bildschirmen und Elektronenhirnen sitzen, auf einen Knopf drücken und damit komplizierte Fernsteuerimpulse auslösen.
Unkraut ferngejätet – köstlich!
Er lächelte.
Ob die Automaten auch in der Liebe… Sein Gesicht verfinsterte sich wieder. Ihm hatte der vielgepriesene technische Fortschritt jedenfalls einen dicken Strich durch die Liebe gemacht. Er konnte nicht heiraten, weil… Verflucht! Wahrlich, weit hatte man’s gebracht – bis zum Gefangenen der Technik!
Er knirschte mit den Zähnen und trat das Gaspedal durch, bis es auf dem Bodenbrett auflag. Die Tachometernadel schnellte über das Zifferblatt und pendelte über den roten Strich.
Wahnsinn war es, mit vierhundert Kilometern je Stunde über den Betonstreifen zu rasen, war er doch nicht mit der Leiteinrichtung für die Selbststeuerung ausgerüstet. Aber was machte das schon? War nicht das ganze Leben Wahnsinn, wenn man etwas tat, was man nicht wollte, weil man etwas wollte, was man nicht durfte? Mehr als den Hals brechen konnte er sich
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