Tochter der Finsternis: Die Chroniken des Magnus Bane (04) (German Edition)
dieser Ausdruck verschwand sofort wieder. James’ Augen funkelten wie die Edelsteine im Schatz eines Drachen und waren genauso leb- und freudlos. Er schüttelte den Kopf, dass seine schwarzen Locken nur so durch die Luft flogen. Hinter ihm erloschen die letzten bunten Funken in der Dunkelheit der Nacht.
»Aber du bist selbst nicht auf Spaß aus, nicht wahr, James Herondale?«, fragte Magnus. »Nicht wirklich. Du legst es darauf an, vor die Hunde zu gehen.«
»Vielleicht macht es mir ja Spaß, vor die Hunde zu gehen«, entgegnete James Herondale. Sein Blick loderte wie Höllenfeuer: verführerisch und doch voller ungeahnter Qualen. »Mir ist allerdings nicht danach, jemanden mitzunehmen.«
Mit diesen Worten verschwand er. Es schien beinahe so, als hätte die Nacht ihn sanft und leise verschlungen, und nur die leuchtenden Sterne, die brennenden Straßenlaternen und Magnus waren Zeugen.
Magnus erkannte Magie, wenn er welche sah. Er wirbelte herum und hörte im selben Moment das Klackern entschlossener Schritte auf dem Pflaster. Als er sich nach dem Geräusch umdrehte, sah er, wie ein Polizist mit pendelndem Schlagstock heranschlenderte und ihn mit einem misstrauischen Ausdruck auf seinem bräsigen Gesicht musterte. Es war allerdings nicht Magnus, vor dem er sich in Acht nehmen musste. Auf einmal verloren die Knöpfe an der Uniformjacke des Mannes schlagartig ihren Glanz, obwohl er direkt unter einer Straßenlaterne stand. Magnus konnte einen Schatten ausmachen, der jedoch keine Quelle zu haben schien; ein dunkler Fleck in der allumfassenden Dunkelheit der Nacht.
Der Polizist schrie überrascht auf, als unsichtbare Hände ihm den Helm vom Kopf rissen. Er stolperte vorwärts und tastete blindlings in der Luft herum, um zu greifen, was längst verschwunden war.
Magnus schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. »Halb so schlimm«, sagte er. »In der Bond Street finden Sie viel schmeichelhaftere Kopfbedeckungen.«
Der Mann wurde ohnmächtig und sank zu Boden. Magnus überlegte kurz, ob er bleiben und ihm helfen sollte, aber dann fiel ihm Ragnors Bemerkung über sein weiches Herz wieder ein. Außerdem machte er sich doch wirklich lächerlich, wenn er diesem außerordentlich verlockenden Rätsel nicht nachging: Ein Schattenjäger, der sich in einen Schatten verwandeln konnte? Magnus drehte sich um und stürmte hinter dem Polizeihelm her, der in der Dunkelheit davontanzte und ihn dabei zu verspotten schien.
Sie rannten durch eine Straße nach der anderen, Magnus und der Schatten, bis ihnen schließlich die Themse den Weg versperrte. Magnus erkannte sie eher am Rauschen der Strömung, als dass er sie sah: Das dunkle Wasser war eins mit der Nacht.
Was er dagegen sehr gut sehen konnte, waren die weißen Finger, die auf einmal den Helm des Polizisten umklammerten, gefolgt von James Herondales Kopf, der sich ihm nun zuwandte. Anstelle der Dunkelheit erschien dort langsam ein schiefes Grinsen. Magnus wurde Zeuge, wie sich der Schatten wieder zu einem Körper aus Fleisch und Blut materialisierte.
Also hatte der Junge nicht nur die Eigenschaften seines Vaters geerbt, sondern auch die seiner Mutter. Tessas Vater war ein gefallener Engel gewesen, ein Dämonenfürst. Die flackernden goldenen Augen des Jungen erinnerten Magnus plötzlich stark an seine eigenen: ein deutliches Zeichen seiner höllischen Wurzeln.
James sah, wie Magnus ihn beobachtete. Mit einem Zwinkern warf er den Helm in die Höhe. Dieser segelte einen Moment lang durch die Luft wie ein seltsamer Vogel, wobei er sich sanft um die eigene Achse drehte, dann plumpste er ins Wasser. Eine silberne Fontäne aufspritzenden Wassers durchbrach die Dunkelheit.
»Ein Schattenjäger mit magischen Fähigkeiten«, bemerkte Magnus. »Ganz was Neues.«
Noch dazu ein Schattenjäger, der eben die angriff, die er eigentlich schützen sollte – die Irdischen. Wie das dem Hohen Rat wohl gefallen würde?
»Wie heißt es so schön? ›Staub und Schatten sind wir‹«, erwiderte James. »Man sollte aber wohl hinzufügen: ›Einige von uns verwandeln sich außerdem hin und wieder in Schatten, wenn uns gerade danach ist.‹ Ich nehme mal an, dass niemand vorhergesehen hat, dass das aus mir werden würde. Man hat mir allerdings schon mehrfach gesagt, ich sei ein wenig unberechenbar.«
»Darf ich fragen, wessen Idee es war zu wetten, dass du es nicht schaffen würdest, den Helm eines Polizisten zu stehlen? Und warum?«
»Dumme Frage. Fragen Sie niemals nach der letzten Wette, Bane«,
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