Tochter der Finsternis: Die Chroniken des Magnus Bane (04) (German Edition)
gebeten hat«, drohte Grace. »Sonst sorge ich höchstpersönlich für Ihren Untergang.«
»Ich glaube dir, dass du denkst, dazu wärst du in der Lage«, hauchte Magnus. Sie war furchterregend und absolut klar wie ein Lichtstrahl, der von der Schneide einer Rasierklinge reflektiert wurde. »Ach, und ganz nebenbei: Hätte James Herondale gewusst, dass ich herkomme, hätte er sicher Grüße bestellt.«
Grace ließ das Schwert sinken, mehr nicht. Seine Spitze berührte nun sanft den Boden. Ihre Hand war vollkommen ruhig und ihre Wimpern verdeckten ihre Augen wie ein Schleier. »Was kümmert mich James Herondale?«, fragte sie.
»Ich dachte, es interessiert dich vielleicht. Ein Schwert kann ja immerhin nicht selbst entscheiden, gegen wen man es richtet.«
Grace sah ihn an. Ihre Augen waren noch dieselben tiefen Seen wie zuvor, mit derselben unberührten Oberfläche.
»Einem Schwert ist das egal«, gab sie zurück.
Magnus machte auf dem Absatz kehrt und bahnte sich einen Weg zurück zu dem rostigen Tor des Anwesens, vorbei an verwilderten Sträuchern voller schwarzer Rosen und verwachsenem Gestrüpp. Er drehte sich nur ein einziges Mal um, um einen letzten Blick auf die Villa zu werfen. Während er die Ruine des einst prachtvollen und eleganten Bauwerks betrachtete, sah er, wie sich hinter einem der Fenster weit über ihm ein Vorhang bewegte und dahinter für einen Moment ein Gesicht zu erahnen war. Er fragte sich, wer ihm wohl nachschaute.
Er konnte die Schattenweltler warnen, sich von Tatiana und ihren finsteren Plänen fernzuhalten. Welchen Preis sie auch zu bezahlen bereit war: Kein Schattenweltler würde eine Warnung vor einer Nephilim einfach in den Wind schlagen. Tatiana konnte sich ihre dunkle Magie abschreiben.
Doch das war auch schon alles, was Magnus tun konnte. Er sah keinen Weg, James Herondale zu helfen. Vielleicht hatten Grace und Tatiana ihn mit einem Zauber belegt. Das traute er ihnen ohne Weiteres zu; allerdings konnte er sich nicht so recht vorstellen, warum sie das tun sollten. Was für eine Rolle konnte James Herondale schon in ihrem finsteren Komplott spielen, ganz egal, was sie am Ende ausheckten? Wahrscheinlicher war es, dass der Junge ganz einfach Graces Reizen erlegen war. Liebe war Liebe; es gab keinen Zauber, mit dem man ein gebrochenes Herz heilen konnte, ohne diesem Herzen dabei für immer die Fähigkeit zu lieben zu nehmen.
Magnus sah keinen Grund, Tessa und Will zu erzählen, was er herausgefunden hatte. James’ Gefühle für Grace waren ein Geheimnis und das würde er bewahren. Magnus hatte dem Jungen versprochen, dass er sein Geheimnis niemals verraten würde – er hatte es geschworen. Was würde es auch nützen, wenn er Will und Tessa den Grund für das Leid ihres Sohnes verriet? Sie konnten ja doch nichts dagegen tun.
Er dachte einmal mehr an Camille und erinnerte sich, wie sehr es ihm wehgetan hatte, als er die Wahrheit über sie herausgefunden hatte. Er hatte sich gefühlt, als würde er über einen Berg aus Messern kriechen, während er mit aller Macht gegen die Erkenntnis angekämpft hatte, und hatte sie am Ende doch unter noch größeren Schmerzen hinnehmen müssen.
Magnus nahm solches Leid nicht auf die leichte Schulter, aber selbst Sterbliche starben nicht an gebrochenen Herzen. Wie grausam Grace auch gewesen sein mochte – James würde sich irgendwann davon erholen, sagte er sich. Auch wenn er ein Herondale war.
Er öffnete das Tor von Hand, was ihm einige tiefe Kratzer von den Dornenranken einbrachte, und dachte an den Moment zurück, als er Grace zu ersten Mal erblickt und das Gefühl gehabt hatte, einem Raubtier gegenüberzustehen. Sie war ganz anders als Tessa, die für Will immer eine Stütze und ein Anker gewesen war, die seine Augen zum Lächeln gebracht und seine harten Züge weicher gemacht hatte.
Wäre es nicht der Inbegriff der Ironie, dachte Magnus, einer schrecklichen und grausamen Ironie, wenn der eine Herondale durch die Liebe gerettet und der andere durch sie zerstört wurde?
Er versuchte, sowohl die Erinnerung an Tessa und Will als auch den Nachhall von Tatianas abfälligen Bemerkungen abzuschütteln. Er hatte Tessa versprochen, dass er noch einmal bei ihnen vorbeischauen würde, doch jetzt wollte er bloß noch davonlaufen. Er wollte sich nicht länger Gedanken darüber machen, was die Schattenjäger von ihm hielten. Und er wollte sich auch keine Gedanken mehr darüber machen, was aus ihnen oder ihren Kindern wurde.
Drei Schattenjägern hatte
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