Tochter der Hoffnung (German Edition)
frierend auf dem Fußboden neben dem Kamin. Erstaunt hob sie ihre Hand an ihre nassen Haare. Nur Ihre Kleidung war trocken.
Okay, das hieß, entweder war sie verrückt geworden und hatte endgültig den Verstand verloren oder das eben war wirklich passiert. Vielleicht hatte sie auch nur einen Blackout gehabt, hatte sich die Haare nass gemacht und war dann wieder runter ins Wohnzimmer gegangen. Da sie ungern davon ausging, dass sie den Verstand verloren hatte, musste sie sich wohl oder übel damit abfinden, dass es wirklich geschehen war. Ailish war kein Mensch, der nicht daran glaubte, dass es noch etwas anderes außer das gab, was man sehen und anfassen konnte. Doch das eben war einfach zu viel des Guten. Wer war diese Frau? Sie war ihr schon öfter in Träumen erschienen, aber noch nie mitten am Tag. Und noch nie so klar. Dennoch konnte sie sich jetzt im Nachhinein nicht an das Gesicht der Frau erinnern. Sie hatte sogar noch ihren Duft in der Nase. Frierend und mit klappernden Zähnen ging sie hinauf ins Bad und stellte sich erst einmal unter die dampfend heiße Dusche. Nachdem sie sich einen Tee aufgebrüht hatte und sich in den dicksten Bademantel gewickelt hatte, den sie besaß, ging sie in das Arbeitszimmer ihrer Großmutter und nahm sich einen Stift und ein Blatt Papier. Mit zitternder Hand fing sie an, alles aufzuschreiben, woran sie sich aus dem Traum erinnern konnte. Das hatte sie sich in den letzten Wochen zur Gewohnheit gemacht. Manchmal hatte sie von einem Mann geträumt, manchmal von dieser Frau. In anderen Nächten sah sie einen riesigen Steinkreis. Die Frau war die Einzige, die sie klar erkennen konnte. Der Mann war immer verschwommen und in den Träumen von dem Steinkreis verhinderte immer ein Unwetter, dass sie etwas klar erkennen konnte. Manchmal sah sie ein kleines Mädchen in der Mitte des Kreises, manchmal eine Frau auf einem Pferd.
Meinte die Frau vielleicht diesen Steinkreis? Aber hier in der Nähe gab es außer Feldern und dem kleinen Dorf mit knapp 400 Einwohnern nichts anderes mehr. Vielleicht wurde sie wirklich verrückt. Doch heute war es anders gewesen. Sie hatte den Regen im Traum wirklich gespürt und ihre Haare waren nass gewesen. Das war vorher noch nie passiert. Entschlossen ging sie zu der Kiste, die in der Ecke des Raumes stand und nahm sich ein weiteres Tagebuch ihrer Großmutter heraus.
Heute ist etwas sehr ungewöhnliches geschehen. Ich kann es immer noch nicht richtig fassen, aber es ist wirklich geschehen. Ich selbst besitze bestimmte Gaben, aber ich konnte niemals Gegenstände von ihrem Platz bewegen. Ich habe heute ein wenig in meinem Garten gearbeitet. Das Wetter war schön, doch im Laufe des Nachmittags wurde es immer stürmischer und Maeve und Ailish kamen hinzu, um mir zu helfen. Sie hatten wohl Angst, dass ich mich erkälten würde. Also haben wir nebeneinander gearbeitet, Unkraut gezupft und ich habe meine Rosen beschnitten. Ich sah kurz zu Ailish und dann zur Terrasse, auf der sich eine Gießkanne langsam auf Ailish zubewegte. Sie hatte einen angestrengten Gesichtsausdruck aufgesetzt und starrte die Gießkanne an. Auch Maeve beobachtete das Geschehene erstaunt. Als die Gießkanne Ailish dann erreichte, nahm sie sie mit einem zufriedenen Lächeln und goss leise pfeifend die Blumen, die sie soeben eingepflanzt hatte. Dem Himmel sei Dank war ihr Vater nicht in der Nähe gewesen. Maeve versuchte es sich damit zu erklären, dass der Wind die Kanne bewegt haben musste, doch ich weiß es besser. Ich möchte sie nicht beunruhigen, also habe ich nichts gesagt. Die Gießkanne ist zu schwer, als dass der Wind sie allein bewegt hätte. Es war eindeutig Ailish. Ich habe sie später kurz unter vier Augen gefragt. Doch sie konnte sich an nichts mehr erinnern. Sie ist nun 7 Jahre alt. Ich habe behutsam versucht, zu erfahren, an was sie sich überhaupt noch alles erinnern kann. Die Ärzte meinten damals, dass es passieren kann, dass sie sich auf Grund des Traumas später einmal an nichts mehr erinnern könnte. So etwas passiere häufig. Und es stimmte, sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, dass wir sie mitten auf der Straße gefunden haben. Vielleicht ist es ja ein Selbstschutz, ich weiß es nicht. Meine Mutter besaß ebenfalls solche Gaben. Sie konnte Gegenstände bewegen und sich in ihren Träumen mit verstorbenen unterhalten. Ich habe jedoch nur die Gabe des Sehens von ihr geerbt. Ich weiß, dass ihr noch eine wichtige Aufgabe bevorsteht, also werde ich Ailish all das
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