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Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Titel: Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Vara
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Sie hatte nach dem Tod ihrer Eltern deren kleines Restaurant, gar nicht weit weg vom Markusplatz, geerbt, das sie allerdings bald hatte aufgeben müssen. Nun arbeitete sie als Köchin, und wenn in der Küche kein Job zu finden war, dann eben als Kellnerin. Daneben machte sie Übersetzungen aus dem Englischen und dem Deutschen ins Italienische, um das karge Einkommen aufzubessern. Damit waren sie und ihre Tochter flexibel, weil sie überall Arbeit fand, und den beiden Verlagen, für die sie arbeitete – einer hatte seinen Sitz in Mailand, der andere in Rom –, war es gleichgültig, wo sie ihre Arbeit erledigte.
    Sie blickte auf die Koffer. Sie hatten viel zurücklassen müssen, und Camilla schalt sich jetzt selbst dafür, so vertrauensselig in die Zukunft geblickt zu haben. Es tat immer noch weh, daran zu denken, was sie in Venedig verloren hatten. Freunde. Die nette Wohnung. Feucht und dunkel, billig, aber das erste richtige Heim seit Jahren. Es schmerzte sogar, an die Kommode zurückzudenken, die sie auf einem Flohmarkt gekauft und mit Gabriellas Hilfe liebevoll renoviert hatte. Gabriella hatte, anstatt gleichmäßig die weiße Farbe aufzutragen, damit auf der Rückseite kleine Männchen gemalt. Camilla lächelte unter Tränen. Aber am meisten tat die Erinnerung an Gabriellas Anblick weh, als ihre kleine Tochter schniefend nach Hause gekommen war, nachdem sie den Großteil ihrer Spielsachen, die sie nicht hatten einpacken können, ihren Freunden geschenkt und sich zugleich verabschiedet hatte.
    Camilla strich sich über die Augen und bemühte sich, an das zu denken, was vor ihnen lag. Sie überlegte, machte Pläne und blätterte in dem schmalen Reiseführer, den sie, kurz bevor sie in den Zug gestiegen waren, noch gekauft hatte. München war eine gute Wahl. Sie sprach gut Deutsch, und Gabriella würde sich schnell anpassen. Sie sah die Liste der empfohlenen Restaurants durch. Es gab viele Biergärten. Und es war kurz vor dem Oktoberfest. Das bedeutete, dass sie leicht Arbeit finden konnte, die sie zumindest über die ersten Wochen und Monate brachte.
    Einige Stunden später lag Venedig weit hinter ihnen. Weiter als einige hundert Kilometer – Jahre und Welten lagen dazwischen. Welten und er, Gabriellas Vater. Er würde das Kind nicht bekommen und wenn sie den Rest ihres Lebens vor ihm fliehen musste.
    Nie!
    Nie …
    Camilla zog Gabriella enger an sich, schloss die Augen und versuchte zu schlafen.
    ***
    Die Rückkehr war meist von Schmerz begleitet. Der Jäger selbst spürte lediglich einen leichten Widerhall, da er nicht völlig in die Graue Welt eintrat, aber er wusste es. Er beobachtete es, wann immer er einen seiner Gefangenen zurückbrachte.
    Auch dieses Mal war es nicht anders. Die Frau war zuerst wie erstarrt und setzte ihm keinen Widerstand entgegen, aber jetzt wand sie sich, klammerte sich an ihn und fluchte und flehte ihn zugleich an, sie gehen zu lassen. Sie wusste, was mit jenen geschah, die flüchteten, sich unter die Menschen mischten und schließlich sogar das Gesetz brachen und töteten.
    Manche kamen teilnahmslos zurück, lagen reglos da und warteten auf ihr Schicksal. Andere schlangen die Arme um ihre Körper, verkrochen sich in sich selbst und weinten, bis das Urteil gesprochen war und die Henker kamen.
    Auch jetzt dauerte es nicht lange, bis die Nebelwesen die Frau umringten. Aber sie lag nicht ruhig, sie schrie weiter, stieß mit Fäusten gegen die wabernden Nebelwesen, um sich zu wehren, aber ihre Hände glitten durch die körperlosen Schatten. Sie konnte sie nicht fassen, sie nicht wegstoßen. Sie wurde in ihrer Angst ganz hysterisch, drohte, rief Verfluchungen aus, schlug um sich.
    Der Jäger verharrte ruhig in seiner Zwischenwelt und sah zu. Er hatte schon oft einen Entflohenen oder eine Entflohene zurückgebracht, der Anblick war ihm vertraut. Während er selbst wartete, dass er verhört wurde und bezeugte, was er gesehen und getan hatte, glitt sein Blick über die Frau hinweg und zu den anderen, die sich in einiger Entfernung drängten.
    Wie immer, wenn einer von ihnen zurückgebracht wurde, waren die Bewohner von Amisaya in Scharen gekommen, um dem düsteren Schauspiel beizuwohnen. Sie strömten aus allen Richtungen herbei, hielten sich jedoch in angemessenem Abstand – keiner von ihnen wollte mit den Nebelwesen in Berührung kommen, ja auch nur ihren kalten Atem nach Tod und Vernichtung spüren.
    Sein Blick glitt weiter, über die Köpfe der zerlumpten Gestalten hinweg, über den

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